Linda in Cloughjordan, Irland // Abschlussbericht

Als ich letztes Jahr mein Abitur abgeschlossen hatte, war für mich klar, dass ich mir ein Jahr Pause nehmen möchte vom formalen Lernen, um, statt zur Uni zu gehen, etwas ganz anderes zu machen. Ich wollte meine Ängste überwinden und den Schritt wagen, alleine in ein mir fremdes Land zu ziehen. Da es mir auch ein großes Anliegen war, meine Englischkenntnisse auszubauen, war schnell klar, dass dieses fremde Land Irland sein würde. 
Als ich mich über verschiedene Programme und Möglichkeiten informiert habe, ist mir der ESK ins Auge gestochen. Was mir hier besonders zugesagt hat, war, dass man als Freiwillige im ESK selbst keinerlei finanzielle Mittel mitbringen muss und wirklich alle Kosten gedeckt sind. Zudem war der Weg bis zur Zusage verhältnismäßig unkompliziert und es war auch recht spontan noch möglich einen Platz zu erhalten. 
Besonders verliebt hatte ich mich aber auch in die Idee, nicht nur eine neue Kultur kennenzulernen (in meinem Fall die irische), sondern gleich mehrere auf einmal, da der ESK ja von der Idee lebt, Menschen aus ganz Europa zusammenzuführen, um zusammen zu leben und zu arbeiten.
Abschließend hat mich der Gedanke überzeugt, im ESK eine Möglichkeit gefunden zu haben, etwas gutes zu tun, mich solidarisch zu zeigen und damit die europäische Idee zu stärken.

Meine Aufnahmeorganisation hieß The Night Orchard und ist ein kleines Sozialunternehmen. Ich habe mit ihnen und anfänglich vier – später nur noch drei – weiteren Freiwilligen, ein ganzes Jahr verbracht. 
Dieses Jahr war wirklich sehr abwechslungsreich und unsere Routine beziehungsweise unser Arbeitsansatz hat sich immer mal wieder verändert. Recht am Anfang lag ein großer Fokus auf der Apfelsaftherstellung, denn der beliebte lokale Apfelsaft wird saisonal gepresst und dann über das ganze Jahr verkauft und ist eines der Hauptprodukte von TNO. In den ersten Monaten des Projekts war außerdem die Zucht und Verarbeitung der Austernpilze sowie die Versorgung der vielen Hühner, zusammen mit der Verarbeitung der Eier (sammeln, putzen, verpacken) ein fester Bestandteil unserer wöchentlichen Routine. Die Eier und Pilze waren nämlich, zumindest zu Anfang des Projekts, die anderen beiden Hauptprodukte von TNO, die verkauft wurden.
 Hinter diesem Handel stand stets die Idee einer möglichst lokalen Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln, so waren die Produkte nur in Geschäften in Cloughjorden (dem kleinen Ort um den sich wortwörtlich das ganze Projekt drehte..) erhältlich bzw. wurden zu privaten KundInnen nach Hause geliefert.

In der zweiten Hälfte des Projekts lag der Fokus dann sehr viel mehr auf dem Gartenbau und dem Catering Service von TNO. Diese gingen sehr stark Hand in Hand, da wir hauptsächlich mit den Dingen aus unseren Gärten gekocht haben. Das Catering richtete sich hauptsächlich an Menschengruppen, die an Workshops zu Umweltthemen teilnahmen und somit meist lokales, saisonales und frisch zubereitetes Essen zu schätzen wussten.

Eine weitere Konstante, die sich durch das ganze Projekt zog, war, unsere wöchentliche Arbeit mit Jeanne. Sie hat mit uns mit medizinischen Pflanzen gearbeitet und hat dabei immer wieder ihren künstlerischen Ansatz an den Tag gelegt. Wir konnten sehr viel von ihrer Lebensweisheit lernen und eines der Ziele des Projekts, nämlich die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden der Freiwilligen zu fördern, wurde hier ganz besonders in Angriff genommen.

Gerade zum Ende des Projekts sind wir auch immer mal wieder aus unserer Routine ausgestiegen, um unsere Kräfte auf größere Events oder Projekte zu richten. Zum Beispiel haben wir für die Green Party (politischen Grünen Irlands) das Catering gestellt, als diese in Cloughjorden getagt haben; oder wir haben auch einen Essensstand auf dem Elements of Change Festival in Coughjordan gehabt.
Zudem haben wir alle sechs Wochen eine sogenannte ‚Earth Celebration‘ gehabt, wo es darum ging zurückzublicken auf die vergangene Zeit, oder auch einen neuen Fokus für das Kommende zu setzen und einfach die einmalige Zeit im Jahreszyklus der Natur zu feiern.

Ausschlaggebend für das Projekt war zudem die familiäre Eingebundenheit, die wir Freiwilligen erleben durften und der Fokus auf gemeinschaftliches Leben, sowohl im Rahmen des Projekts, als auch im größeren Zusammenhang mit den Menschen in Cloughjordan.
Fast alle Tätigkeiten im Projekt richteten sich nach der Idee, durch einen bestimmten Lifestyle aktiv dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Oft gerieten wir auch in intensive Gespräche über Gesellschaft und Umwelt, bei denen ich viel gelernt habe und Inspiration finden konnte.

Ich habe wirklich unglaublich viel gelernt über das Jahr hinweg. Einer der wichtigsten Punkte war hier die Verbesserung meines Englischs. Des Weiteren freue ich mich über all die Fähigkeiten, die ich im Bereich der Küche und des Kochens dazugewonnen habe. Ich habe einige Rezepte gelernt, gelernt, wie man richtig und schnell mit einem Messer schneidet, ein Gefühl für die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung bekommen usw… Ich würde mich immer noch nicht als eine gute Köchin bezeichnen, bin aber doch sehr viel besser als vor meiner Zeit in Irland und das Gute ist, dass ich, auch wenn ich mal nicht weiß, wie etwas funktioniert, selbstbewusst an die Sache herangehe. Ich habe verstanden, dass es in der Küche nur bedingt Richtig und Falsch gibt, da es immer so viele Möglichkeiten gibt, etwas zu tun….
Diese Einstellung lässt sich denke ich auf viele Bereiche übertragen: während ich zuvor eine Person war, die genaue Anweisungen brauchte und gerne doppelt nachgefragt hat, habe ich nun sehr viel mehr Selbstvertrauen und mache eben einfach alles so, wie ich denke, dass es richtig ist.:)

Im Bereich des Bauens habe ich auch Einiges mitgenommen. Ich weiß nun, wie man Geräte und Werkzeuge benutzt, die ich zuvor noch nie in der Hand hatte (spezielle Sägen, Schleifmaschine etc…). Ich habe einen gewissen Standard an Wissen, durch den ich mir in Zukunft selbst helfen kann und es war schön sich in einem Bereich zu bewegen, in dem Handwerkliches sich mit Künstlerischem mischt.
 Beim Gärtnern habe ich zum Beispiel verschiedene Ansätze kennengelernt, ein Beet aufzubauen. Ich habe gelernt, was einen guten Kompost ausmacht und welche Pflanze wann am besten wächst, ob sie besser im Folientunnel oder draußen aufgehoben ist und ob man sie direkt in den Boden setzt, oder in Modulen vorzieht etc etc…
 Ich habe des Weiteren eine veränderte Sicht auf das Thema Nachhaltigkeit mitgenommen. Zuvor hatte ich oft das Gefühl, dass jede kleine Tat meinerseits entscheidend ist, wenn es um die Rettung des Klimas geht. Das hat natürlich zu jeder Menge Druck und auch Schuld geführt. Nun ist mir deutlicher, dass Schuld nie etwas bringt und es viel mehr darum geht, sich mit der Natur zu verbinden, die einen tatsächlich umgibt, weg zu kommen von rein theoretischen Diskussionen und hin auf den Boden, auf dem man lebt und der einen idealer Weise ernährt. Ich habe verstanden, dass es darum geht, zu erkennen, was um mich herum zu tun in meiner Macht steht und eben das dann auch zu machen. 
Ich habe außerdem angefangen, mich selbst als Einheit wahrzunehmen, aus Denken, Herz, Körper, Intuitionskraft, Vertrauen und eben so viel mehr als nur das rein Kognitive, worauf man ja in der Schule, oder generell gesellschaftlich gerne mal reduziert wird bzw sich selbst reduziert – das war ein großer Zugewinn für mich!
Ich habe denke ich auch große Fortschritte gemacht was selbstständiges und verantwortliches Leben und Wohnen angeht.
Schön war auch, mich selbst in einer Teamdynamik zu erleben und zu merken, das jede/r seine/n Platz in der Gruppe findet und wir zum Schluss wirklich ein sehr eingespieltes Team waren. Durch die Gruppe konnte ich besser darin werden, zu erkennen, wann es gut ist mit den Anderen mit zu gehen und wo es ratsam ist selbst Initiative zu ergreifen und eine Entscheidung zu treffen – etwas, was mir immer noch schwer fällt, aber doch viel leichter als vor dem Projekt.
 Eine weitere wertvolle Erfahrung war, hautnah mitzuerleben, was ein Business als Basis braucht um zu bestehen.
 Ich möchte auf jeden Fall auch in Zukunft mein Essen selbst anbauen (auch wenn das erstmal nur in einem kleineren Rahmen stattfinden kann), da die Reise von der Ansaat, bis zur Gabel in den Mund, das Schönste ist, was es gibt.:) Ich habe erfahren, was gesundes, vollwertiges Essen ist und ich möchte diesen Standard gerne beibehalten und regelmäßig kochen und eine noch viel bessere Köchin werden.:)

Wie man vielleicht schon raushören konnte, hatte ich eine wunderbare Zeit in meinem Freiwilligendienst und kann ihn deshalb nur weiterempfehlen. Man kann im ESK wirklich in so viele verschiedene Bereiche gehen und wird auf jeden Fall weltoffene, liebe Menschen antreffen. Und auch, wenn man wie ich am Ende nicht in dem Bereich landet, der der eigenen Leidenschaft gänzlich entspricht, wird man, wenn man offen bleibt, viel lernen, was man fürs spätere Leben gebrauchen kann. 
Ich bin unendlich dankbar für meine Erfahrung und ihr werdet es bestimmt auch sein, nach euerm ESK Freiwilligendienst!:)

Linda

 

Linda war Teil des Projekts „Wild Abundance“, welches von der Aufnahmeorganisation The Night Orchard organisiert und vom Europäischen Solidaritätskorps und der Irischen Nationalagentur Leargas finanziert wurde.