Zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier schreibe, ist es genau zwei Wochen her, dass Henrike und ich im Flugzeug saßen und einen letzten Blick auf das unwirklich blaue Glitzern des katalanischen Mittelmeers geworfen haben und ich versucht habe, diesen Moment so lange es ging auszukosten, in dem Wissen, dass es eine Weile dauern würde, bis ich das Meer wiedersehen würde. Aber zu diesem Punkt komme ich später, denn erstmal möchte ich noch erzählen, was in den zwei Monaten seit meinem dritten Bericht noch alles passiert ist.
Als erstes war am 23. April der Dia de Sant Jordi, den man in etwa als katalanischen Valentinstag bezeichnen könnte. Meiner Meinung nach ist er aber um einiges cooler als der normale Valentinstag, weil er zum einen für die Katalanen deutlich wichtiger ist und zum anderen mit dem Welttag des Buches zusammenfällt. Deshalb werden überall in den Straßen neben roten Rosen auch Bücher verkauft. Mit meinem Chor habe ich an diesem Tag an verschiedenen Orten der Stadt Straßenkonzerte gegeben, was sehr viel Spaß gemacht hat. Noch besser war jedoch, dass wir danach noch alle zusammen im Restaurant gegessen haben. Dadurch und auch durch einen anderen Restaurantbesuch mit den anderen Altistinnen nach einem anderen Konzert hatte ich das Gefühl, noch einmal viel stärker in die Gruppe integriert zu werden, weil wir Zeit hatten, einfach auch mal länger am Stück miteinander zu reden und uns kennenzulernen. Außerdem war dieser Austausch mit Einheimischen immer super wertvoll für mich, weil sie mir ganz viel über die Kultur und Traditionen erklärt haben, aber zum Beispiel auch Politisches, wie ihre persönliche Haltung zu der Debatte, ob Katalonien von Spanien unabhängig werden sollte und ihre Gründe dafür.
Dann habe ich es Ende April Henrike gleichgetan und bin für zwei Nächte alleine nach Valencia gereist. Wie auch bei ihr war es auch mein erster Urlaub alleine, aber ich habe es sehr genossen, einfach zwei Tage lang wirklich einmal Zeit zu haben, mit mir und meinen Gedanken allein zu sein und habe sehr viel über die vergangenen Monate nachgedacht und darüber, wie sehr ich in dieser Zeit gewachsen bin. Außerdem ist Valencia einfach eine superschöne Stadt, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
Im Mai waren Henrike und ich in Girona, um uns die „Temps de Flors“ anzugucken – ein Fest, für das die ganze Stadt einige Tage lang mit Blumen geschmückt wird. Girona war im Herbst einer unser ersten gemeinsamen Ausflüge, deshalb war es schön, wieder zu zweit dort zu sein, auch weil wir gemerkt haben, dass wir in den Wochen davor durch unseren ganzen Besuch aus Deutschland schon länger nichts gemeinsam unternommen hatten. Wir haben ein bisschen darüber geredet, was seit unserem ersten Ausflug nach Girona alles passiert ist, und reflektiert,
was sich verändert hat – eine ganze Menge.
Den restlichen Mai und Juni habe ich, alleine, mit Henrike oder mit anderen Freundinnen, noch einige weitere Ausflüge unternommen, unter anderem nach Calella de Palafrugell, zum Schnorcheln nach Lloret de Mar und einen zweitägigen Kurztrip nach Montpellier in Frankreich. Währenddessen ist es ab Ende Mai dann wirklich sommerlich geworden, sodass ich in den letzten Wochen fast jeden Nachmittag am Strand verbracht habe.
Bei der Arbeit dagegen war die Hitze gegen Ende wirklich anstrengend, aber mit vielen Pausen und dank Venturas geschickter Planung, die uns zu den heißeren Tageszeiten meist eine entspanntere Aufgabe im Schatten beschert hat, aushaltbar. Wir haben die letzten Monate ebenfalls weiter im zweiten Garten gearbeitet, weil wir dort das
Gefühl hatten, die abwechslungsreichsten Aufgaben zu haben und am meisten lernen zu können. Auf diese Weise sind wir mit den Gärtnern dort und auch mit den Handwerkern, die mit ihnen gemeinsam zu Mittag essen, nochmal enger zusammengewachsen und die gemeinsamen Mittagspausen mit viel herumalbern sind immer zum Highlight des Arbeitstages geworden. Außerdem hat uns Ventura, der Chefgärtner des zweiten Gartens, nach und nach immer
selbstständiger arbeiten lassen und weniger erklärt. Schön zu sehen, dass wir nach einigen Monaten so viel Routine und „Gärtnerblick“ gewonnen haben, dass das möglich war. Ein weiterer Vorteil des zweiten Gartens war, dass dort das Gemüsebeet ist, von dem wir immer mal wieder frisches Gemüse mitnehmen durften, wenn etwas reif war.
An unseren Bürotagen haben wir weiter bei den Vorbereitungen für die Schulführungen geholfen, außerdem haben wir weitere Infotafel gestaltet, die englischen Übersetzungen für einige Infotexte auf der Website des Gartens überarbeitet und auch auf deutsch übersetzt und außerdem eine eigene Führung (auf Englisch) durch den Garten geplant und gegeben.
An unserem letzten Wochenende in Blanes war Dia de Sant Joan, dessen vorhergehende Nacht in Katalonien groß gefeiert wird und uns immer wieder als „bestes Fest des Jahres“ angepriesen wurde. Wir haben uns entschieden, diese Nacht gleichzeitig als kleine Abschiedsfeier zu nutzen und haben ein paar Freunde eingeladen. Es war auch wirklich eine tolle Stimmung, die Leute haben alle Feuerwerk am Strand angezündet und es war wie Silvester, nur im Sommer.
Unser Abschied im Garten war sehr traurig, weil ich die Menschen dort wirklich lieb gewonnen habe. Aber wir haben noch einmal alle zusammen gegrillt, es gab wieder Livemusik von einigen Gärtnern und Henrike und ich haben ein paar wirklich süße Abschiedsgeschenke bekommen. An unserem letzten Abend sind wir dann noch mit Ventura, mit dem wir ja auch schon an meinem Geburtstag etwas trinken waren, Essen gegangen. Das war ein wirklich schöner Abschluss und hat mir auch noch einmal vor Augen geführt, wie viel Spanisch ich mittlerweile kann.
Am nächsten Tag sind wir schließlich zurückgeflogen, und seitdem bin ich wieder hier. Ich glaube, so ganz habe ich das immer noch nicht realisiert und verarbeitet, vor allem, weil nach meiner Ankunft direkt so viel los war, ich war viel unterwegs und habe viel mit meinen Freunden unternommen. Aber ich vermisse das Mittelmeer gerade schon ein bisschen 🙂
Auf jeden Fall kann ich sagen, dass meine neun Monate in Spanien eine wirklich unvergessliche Zeit waren, die nicht besser hätte sein können. Ich habe unglaublich viel erlebt und gesehen, viel gelernt und bin auf viele verschiedene Arten über mich hinausgewachsen, was mir zum Teil erst jetzt, wo ich wieder in meinem vergleichsweise etwas unspannenden vorherigen Kleinstadtleben ankomme, so richtig klar wird. Auch wenn ich vorher zum Teil meine Zweifel hatte und auch der Anfang nicht immer ganz einfach war, war dieser Freiwilligendienst in jeder Hinsicht die beste Entscheidung für mich und ich bin unglaublich dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte, die mich definitiv auch für die Zukunft sehr geprägt hat und noch lange begleiten wird.
Ich habe in meinen letzten Wochen und Monaten in Blanes mit sehr vielen Menschen die mehr oder weniger gleiche Unterhaltung geführt: Sie haben mich gefragt, wie lange ich noch bleibe, ich habe dann mit einer zunehmend kleiner werdenden Anzahl an Wochen geantwortet. „Freust du dich auf zuhause?“ – „Klar, aber ich bin auch sehr traurig, dass ich jetzt schon wieder gehen muss.“ Verständnisvolles Nicken. Und dann, beinahe ausnahmslos, von allen die gleiche Antwort: „Aber du wirst wiederkommen!“ Keine Frage, sondern eine Aussage voller Gewissheit – die Menschen in Blanes lieben ihre Stadt, zurecht. Und Recht haben sie auch damit, dass ich wiederkommen werde, spätestens in zwei oder drei Jahren, um Urlaub zu machen und Blanes, Barcelona, den botanischen Garten und all die wundervollen Menschen, die ich dort kennenlernen durfte, wiederzusehen.
In diesem Sinne: A reveure i fins aviat!
Sophie
Sophie verbrachte ihren Freiwilligendienst in der Carl Faust Foundation und dem Botanischen Garten Marimurtra. Ihr Projekt wurde kofinanziert von der Europäischen Union.