„Welcome to the Balkans. It’s shitty, you’re gonna love it.”
Mit diesem Satz wurde ich in den ersten Wochen meines Freiwilligendienstes empfangen. Ein Statement, welches als kurzfristiger Besucher leicht gegeben ist. Doch ich arbeite ich auch mit Menschen zusammen, die aus Finnland und Polen nach Skopje gezogen sind und nun hier leben. Skopjes Stadtbild ist ein Mix aus Plattenbau, absurd vielen Statuen und neoklassizistischen Prunkbauten, dessen Bau im Projekt „Skopje 2014“ begonnen wurde, ein umstrittenes Vorhaben, das inzwischen wieder gestoppt wurde. Besonders schön ist Skopje nicht. Doch was ist es, was die Menschen nicht mehr loslässt? Vielleicht werde ich es in den nächsten acht Monaten herausfinden.
Mazedonien ist ein Land, von dem viele in Deutschland nicht einmal wissen, wo es liegt – und das, obwohl es Teil Europas ist. Das kleine Land im Balkan, gelegen zwischen Griechenland, Serbien, Bulgarien, Kosovo und Albanien war in meinem Umfeld recht unbekannt. Auch ich wusste nicht, was mich erwartet. Dennoch entschied ich mich dazu, meinen ESK dort zu verbringen. Während ich mein Abitur machte, begannen bereits die Vorbereitungen für meine Reise nach Skopje, Mazedoniens Hauptstadt, mit einem langwierigen Visumsprozess. Schließlich konnte ich es endlich in Bonn abholen und es konnte losgehen.
Von meiner Heimatstadt Frankfurt fuhr ich mit dem Bus nach Skopje. Zuerst früh morgens mit dem ersten Bus nach Wien, von dort dann über Nacht direkt nach Skopje. Auf der Fahrt durchquerten wir fünf Länder. Nach der ungefähr 28 Stunden langen Reise und zwei relativ schlaflosen Nächten kam ich morgens in Skopje an.
Meine Arbeit im Volunteers Centre Skopje teilt sich in verschiedene Bereiche. Wir sind über zehn Freiwillige, die alle zusammenarbeiten und -leben.
Unsere Hauptaufgabe ist das Schreiben, Designen und Veröffentlichen von VOICES, einem Magazin für junge Menschen. Thematisch gibt es keine Vorgabe, nur politisch darf es nicht sein. Jeden Monat veröffentlichen wir VOICES online, einige Ausgaben werden außerdem gedruckt, so auch die Dezemberausgabe dieses Jahres. Dafür habe ich ein Interview mit Daria Buffy, einer drag queen aus Skopje, geführt. Es war für mich eine sehr interessante Erfahrung, dieses Interview zu organisieren und durchzuführen.
Neben VOICES organisieren wir außerdem Events aller Art, sei es ein Spieleabend, Karaoke oder ein Abend voller Wahrsagerei.
Außerdem gehe ich meistens einmal in der Woche nach Šutka, einer Roma-Gemeinde im Norden Skopjes. Dort helfen wir in einem Day-Care-Centre mit. Die Kinder können dort spielen, bekommen Essen und informellen Unterricht, da viele nicht lesen oder schreiben können. Das ist manchmal sehr anstrengend, die Kinder sind aber oft auch sehr süß. Es ist außerdem eine willkommene Abwechslung zur Arbeit im Büro. Es ist auch eine konkretere Art des Helfens. Während Projekte wie VOICES eher langfristiger sind, ist die Arbeit in Šutka sehr direkt.
Mit fünf meiner Mitfreiwilligen wohne ich zusammen in einer WG. Wir verstehen uns sehr gut und unternehmen viel zusammen. Sei es gemeinsam zu kochen, Serien zu schauen oder in Bars und Clubs zu gehen. Zusammen waren wir auch in Prilep, einer relativ großen, mazedonischen Stadt. Mit den anderen Deutschen (Fiona, Frieda und Helene) war ich außerdem für eine Nacht in Prishtina in Kosovo.
Es ist super einfach neue Leute kennenzulernen, besonders natürlich die anderen Freiwilligen. Aber auch mit Mazedoniern haben sich schon bessere Bekanntschaften geschlossen. Generell sind alle immer sehr neugierig, wenn sie hören, dass man aus Deutschland kommt. Viele können außerdem auch etwas Deutsch sprechen, weil sie es in der Schule gelernt haben oder mal in Deutschland gearbeitet haben. Alle sind sehr interessiert, was wir in Mazedonien machen und ob es uns gefällt. Auch wenn nicht direkt über Politik geredet wird, braucht es nicht lange, um zu bemerken, wie wenig Vertrauen viele in die öffentlichen Institutionen Skopjes haben.
In Deutschland habe ich Ballett getanzt, hier habe ich mich dazu entschlossen etwas Neues auszuprobieren. Deshalb mache ich jetzt zweimal die Woche einen Hip-Hop Tanzkurs. Das Tanzstudio hatte im November noch zusätzliche Workshops angeboten, bei welchen ich auch teilweise teilgenommen habe. Mein Hobby auf diese Weise weiterzuführen, ist sehr schön.
Die ersten zwei Monate waren eine unglaublich intensive Zeit des Entdeckens und Einlebens in einer neuen Welt. Schon in dieser kurzen Zeit habe ich so viele Menschen kennengelernt.
Inzwischen ist es kälter geworden. Wenn das Wetter schlecht ist, hängt Smog in der Stadt. In den Bergen liegt Schnee und auch in Skopje hat es schon geschneit. Weihnachtsstimmung macht sich erst zaghaft breit, da hier das orthodoxe Weihnachten gefeiert wird, welches erst Anfang Januar ist. Dennoch sind viele Läden dekoriert. Wir haben die Adventszeit mit Plätzchen backen eingeläutet.
Das gemeinsame Arbeiten und Leben mit den anderen Freiwilligen ist so offen und herzlich, dass es mir tatsächlich nicht schwergefallen ist. Im Moment überwiegt Dankbarkeit dafür, dass wir zusammen diese Reise machen dürfen.
Johanna
Johanna verbringt ihren Freiwilligendienst bei Volunteer Centre Skopje, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.