Zwischen Olivenbäumen, am Rande Thessalonikis, steht ein großes grünes Haus, der Standort der NGO ‚Fix in Art‘ und meine Herberge der letzten zwei Monate. Zwei Monate, mit vielen Highlights aber auch einigen Herausforderungen, die mich haben wachsen und lernen lassen.
Wenn morgens mein Wecker klingelt, öffne ich mein Fenster und trete auf den Balkon. An wolkenlosen Tagen habe ich über die Olivenbäume hinweg einen klaren Blick auf den verschneiten Olymp. Meine Zimmermitbewohnerinnen schlafen dann meist noch und ich starte entspannt mit einem Buch oder ein bisschen Sport in den Tag. Um 9:30 erreicht mich die ersehnte WhatsApp-Nachricht „Breakfast is ready!“ und unten versammeln sich alle Freiwilligen, um sich am Frühstücksbüffet aus Brot, Feta, Porrigde, Obstsalat und Marmelade zu bedienen. Dazu gibt’s einen Kaffee – der bei mir zuhause besser schmeckt – aber schließlich muss er für alle müden Mäuler reichen.
Für die Küchenschicht sind immer zwei Freiwillige zuständig. Dann dürfen sie mit der riesigen Auswahl an Gemüse, das wir an den Märkten in Epanomí und Thessaloniki gespendet bekommen, kreative Gerichte zaubern. Die Küchenschichten sind lang und anstrengend, werden aber mit vielem Lob und Dankbarkeit bezahlt. Während ich mich als Gemüseliebhaberin an dieser großen Auswahl an Buntem aus dem Garten erfreue, erstreckt sich über das Büffet für unsere Fleischliebhaber der Gruppe eine eher triste Landschaft. Essensrettung ist das große Ziel der zweiten Organisation unter dem Dach von Fix in Art – M-eating Hub. Für M-eating Hub fahren wir mittwochs und samstags auf den Markt und sammeln kistenweise Gemüsespenden, die wir an die Kirche, das Altenheim und an die Stadtgemeinde weitergeben und zu einem Teil für unsere eigene Verpflegung behalten. Darüber hinaus erhalten wir auch Spenden von Starbucks, die wir gewissenhaft zwischen allen Freiwilligen teilen, wenn wir mal einen beliebten Blaubeermuffin oder eine Zimtschnecke ergattern.
Die Arbeit bei Fix in Art ist abwechslungsreich. Bei meiner Ankunft war ich zunächst etwas ernüchtert, weil hauptsächlich Reinigungs-, Aufräum- und Renovierungsarbeiten anstanden. Die Organisation ist vor etwas mehr als einem Jahr aufgrund der steigenden Mietpreise im Zentrum von Thessaloniki nach Epanomí gezogen. Hier ist zwar wenig los, dafür profitiert man aber im Sommer von der Nähe zum Strand. Somit befindet sich Fix derzeit in einer Zeit des Wiederaufbaus und viele der interessanten Aktivitäten, die am alten Standort stattfanden, sind gerade inaktiv. Ein großes Highlight ersten zwei Monate hier war jedoch ein Jugendaustausch zusammen mit einer deutschen Organisation. Wir haben Ausflüge gemacht, Musik-, Tanz- und Kunstworkshops gehabt und viele Spiele gespielt. Die Arbeit mit den Jugendlichen hat mich sehr bereichert und war ein großartiges Kontrastprogramm. Auch später durfte ich an interessanten Projekten teilhaben. Beispielsweise durfte ich einen eigenen Projektantrag schreiben oder mit einer anderen Freiwilligen zusammen eine Aktivität mit Senior*innen durchführen. Besonders gefällt es mir kreativ zu werden, also übernahm ich auch die Aufgabe, ein paar Schilder für das Haus zu malen. Generell sind die Strukturen eher locker, sodass ich selbstständig nach Aufgaben suche, die ich übernehmen kann und mich für Projekte melde, an denen man mitarbeiten kann.
Meine Wochen hier waren nicht immer einfach, aber schließlich ist Volunteering ja auch kein Urlaub ;). Ich lerne viel darüber, was ich in meinem Leben außerhalb des Projekts sehr schätze, und habe das Gefühl, genügsamer geworden zu sein. Das Leben auf dem Dorf ist sehr anders als in der Stadt und das Leben in einem Haus, mit einer zusammengewürfelten Gruppe, unterscheidet sich sicherlich von meinem gewohnten Zusammenleben mit Freund*innen. Ich muss mich um vieles, was das Erwachsenenleben normalerweise bereithält (Termine, Einkäufe, Bürokratie) nicht kümmern. Jedoch schätze ich nun auch viele Freiheiten meines alltäglichen Lebens, die ich hier nicht habe. Ich kann meinen gewohnten Hobbies – Calisthenics, Musik, Kultur – wenig nachgehen, weil das Angebot auf dem Dorf sehr eingeschränkt ist. Es fehlt mir auch, mich mit Freund*innen zu treffen und mal Bier am Späti zu trinken. Mir ist aber auch klar geworden, wie frei mein Leben sonst ist und wie viele Privilegien ich genieße. Hier steht Anpassung im Vordergrund und das enge Zusammenleben mit denen, die meine Freund*innen geworden sind, aber auch mit meinen ‚Vorgesetzten‘ (der Projektleitung) und Personen, mit denen ich wenige Gemeinsamkeiten habe. Auch Abschiede gehören leider zum Geschehen dazu. So ist mir der Verlust meiner beiden Zimmergenossinnen und ebenso Freiwilligen von NaturKultur, Karo und Lulú, besonders schwergefallen. So gut wie alles Leben spielt sich im Projekt ab. Das führt dazu, dass man eng zusammenwächst und man tief in die Strukturen der Organisation einsteigen kann. Auf der anderen Seite kann man sich nur schwer distanzieren, wenn man das mal braucht und wir sind eine sehr internationale Gruppe, die von den Griech*innen etwas isoliert lebt, was ich sehr schade finde. Somit kam ich mit meinem Vorhaben, Griechisch zu lernen, zwar nicht ganz so weit, dafür konnte ich aber viel Französisch üben ;). Zum Glück haben wir aber auch die Wochenenden, an denen wir die Kultur und das Nachtleben von Thessaloniki und anderen umgebenden Orten entdecken können. Dann lässt es sich gut erfrischt (oder nicht so erfrischt…) am Dienstag wieder zurück in die Arbeit steigen.
Nun genieße ich die länger werdenden, sonnigen Tage, die leider auch eine Menge Moskitos mit sich bringen, aber das nehme ich für die langersehnte Wärme dankend in Kauf. Mit dem Frühling und Sommer kommen auch weitere Jugendaustausche sowie Festivals, auf die ich mich sehr freue. Auch habe ich mir für teures Geld ein Griechisch-Lernbuch gekauft, sodass die Motivation maximal hoch ist und ich hoffentlich bald zum Small Talk mit den Omis in der Nachbarschaft fähig bin. Ein Update dazu gibt es bei meinem nächsten Bericht. Bis dahin sende ich den Lesenden liebe Grüße aus dem Südbalkan.
Γεια σας!
Eure Nicola
Nicola verbringt ihren Freiwilligendienst bei Fix In Art / Anazitites Theatrou, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.