Toni und Sheila in Thessaloniki, Griechenland // 1. Bericht

Als wir für das Verfassen dieses Berichtes unsere Erfahrungen Revue passieren lassen haben, konnten wir fast nicht glauben, dass erst zwei Monate vergangen sind, seit wir in dieser chaotischen, einzigartigen Stadt angekommen sind, die wir schon jetzt ins Herz geschlossen haben. Jede Woche erleben wir neue Dinge und haben viel zu erzählen. Also verzeiht die Unvollständigkeit unserer Erzählungen, wir werden uns bemühen, das Wichtigste zusammenzufassen.
Unser Haus ist eine wilde Mischung aus Jugendherberge, Wohngemeinschaft und Zuhause. Das hat am Anfang einerseits dazu geführt, dass die vielen neuen Menschen, die Regeln und die schiere Größe des Hauses überwältigend für viele von uns waren: Es braucht eine Weile, sich daran zu gewöhnen, immer Menschen um sich herum zu haben, sich eine Küche, die Bäder und die Gemeinschaftsräume mit 30 anderen Freiwilligen zu teilen, und auch um sich mit den vielen verschiedenen Persönlichkeiten zurechtzufinden. Andererseits ist es auch eine einzigartige Gelegenheit, sich mit diversen Arten von Menschen zu umgeben, die alle verschiedene kulturelle und soziale Hintergründe, Meinungen und Vorlieben haben. Sicher ist, dass es immer jemanden gibt, mit dem man etwas unternehmen kann, sei es ein Wochenendausflug, ein Trip und Meer oder auch nur ein Spaziergang entlang der Promenade.
Außerdem gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, seine Hobbys zu teilen, selbst etwas dazuzulernen oder zusammen mit den anderen neuen Aktivitäten zu entdecken. Beispielsweise waren wir in den ersten Wochen zusammen mit anderen Freiwilligen in einer Boulderhalle, um uns im Klettern zu versuchen. Manche von uns haben sogar zusammen eine Poledance-Probestunde besucht, von der Sheila und ein paar andere so begeistert waren, dass sie jetzt regelmäßig das Studio besuchen. Auch im Haus finden oft spontane Häkel-Workshops, Musiksessions oder Filmabende statt.
Auch wenn die meisten Leute erstmal zurückschrecken, wenn wir erzählen, dass wir uns mit so vielen Freiwilligen ein Haus teilen, ist das Zusammenleben doch erstaunlich ertragbar. Das haben wir vor allem Didi, unserem Hausmanager zu verdanken, der uns jeden Tag Frühstück, Mittag- und Abendessen bereitstellt, sich um die Zimmer und die Ordnung im Haus kümmert und hier allgemein die Anlaufstelle für alles ist, was mit der Unterkunft zu tun hat. Solange jeder seinen Teil dazu tut, ist die Ordnung also gewährleistet, wobei man sich bei 30 jungen Menschen wahrscheinlich vorstellen kann, dass das nicht sonderlich oft der Fall ist. Es erfordert eine gute Mischung aus Menschenkenntnis, Geduld und Durchsetzungsvermögen, um das Ganze mitzumachen.
Hat man das aber einmal akzeptiert, dann kann es wirklich Spaß machen, immer wieder neue Leute zu begrüßen, unerwartete Gespräche zu führen und spontane Karaoke-Abende zu halten. Das Schwerste war für uns bisher, die Freunde zu verabschieden, mit denen wir hier am meisten Zeit verbracht haben und die leider nur Kurzzeitfreiwillige waren.
Mit so vielen Reiselustigen in einem Haus ist es nicht erstaunlich, dass wir in unseren ersten zwei Monaten schon einige Orte besucht haben. Wir haben Wochenendausflüge nach Sofia, Athen, Zypern und zu verschiedenen lokalen Sehenswürdigkeiten organisiert, waren am Strand in der Nähe von Thessaloniki und hatten ein paar unvergessliche Tage im kleinen Küstendorf Stratoni. Dort hatten wir von unserer Organisation aus die Möglichkeit, Workshops über Journalismus und Fotografie zu halten und unsere freien Stunden am Strand zu verbringen. Zusammen haben wir uns vorgenommen, das im Frühjahr auf jeden Fall zu wiederholen.

Unsere Organisation arbeitet an einer großen Spannweite an interessanten Projekten, wobei wir beide vor allem für das Magazin zuständig waren. Wir haben schon eine Edition fertiggestellt und arbeiten jetzt als Editoren an der nächsten. Abgesehen von einem Überthema sind wir bei dem Inhalt in unserer Kreativität freigestellt und haben und künstlerisch und journalistisch austoben können. Wir freuen uns schon sehr darauf, unser Magazin bald in der Hand zu halten. Direkt nach dem Abitur ist das Arbeiten in einer Organisation wie dieser für uns beide eine faszinierende, wenn auch teilweise überwältigende Erfahrung. Wir merken aber jetzt schon, wie wertvoll dieses Projekt als Berufs- und Lernerfahrung ist und dass sich unser Selbstbewusstsein und unsere Fähigkeiten stetig verbessern.
Das Arbeiten im Magazin hat Toni auch einen Pressepass für das Thessaloniki Film-Festival verschafft. So eine Chance kriegt man nur einmal! Mit dem Pass konnte man Filme gratis ansehen, an Pressekonferenzen teilhaben und wir durften sogar ein Interview mit einer preisgekrönten Regisseurin abhalten! Als Filmfanatiker und Amateur-Regisseur war das eine geniale Erfahrung für Toni.
Abgesehen von den journalistischen Tätigkeiten ist unsere Organisation auch für Events zuständig. Wir haben mehrere Tandems und Spieleabende organisiert, bei denen wir uns mit Menschen vieler verschiedener Nationen ausgetauscht und angefreundet haben. Auch halten wir regelmäßig ein “Open Mic” ab, bei dem jeder sein Talent auf der Bühne demonstrieren kann oder sich (auch ohne etwas vorbereitet zu haben) einfach mal trauen darf.
Die Stadt Thessaloniki quillt an Kultur fast über. Mit über 100.000 Studierenden gibt es endlos viele Veranstaltungen und Kulturstätten für junge Menschen. Deshalb ist sie auch nicht ohne Grund als Partystadt bekannt und wir haben hier schon einige wilde Nächte durchlebt. Von 5-Sterne Restaurants zu Punk-Shows gibt es hier für jeden etwas zu finden. Außerdem gibt es, auch wenn es in der globalisierten Erasmus-Stadt schwer zu finden ist, authentische Treffpunkte der mediterranen Griechischen Kultur, die für uns ausgekühlte Deutsche besonders interessante Abwechslungen sind.
Wir hatten schon so viele Erfahrungen innerhalb dieser zwei Monate, dass wir uns gar nicht ausmalen können was in dem nächsten halben Jahr auf uns zukommt. Wir empfangen alle wilden Begegnungen, aufregende Abenteuer, neue Freunde und Verabschiedungen dennoch mit offenen Armen und sind bis jetzt mehr als zufrieden mit der ESC-Erfahrung.

Liebe Grüße von Sheila und Toni 🙂

Sheila und Toni verbringen ihren Freiwilligendienst bei United Societies of Balkans, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.