Linda in Cloughjordan, Irland // 2. Bericht

Hallo, ich bin Linda und seit nun fast fünf Monaten bin ich hier in Irland und nehme an dem ESC Programm „Wild Abundance Project“ des Solzialunternehmen The Night Orchard teil.

Seit meinem ersten Bericht ist so Einiges passiert, es hat sich viel verändert und Vieles ist auch gleich geblieben. Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Ich bin nach wie vor sehr glücklich hier zu sein. Ich lerne viel und bin jeden Tag dankbar, eine so spaßige Zeit mit so tollen Menschen verbringen zu dürfen. Das bringt mich auch schon zu meinem ersten Punkt: die Vertiefung meiner Freundschaften hier. Ich habe mich ja eigentlich von Tag eins an mit allen meinen Mitfreiwilligen und MentorInnen gut verstanden, aber natürlich sind unsere Freundschaften jetzt, nach knapp fünf Monaten zusammen, auf einem ganz anderen Level – besonders die, mit den „Ladies of the house“, wie wir uns Freiwillige liebevoll gegenseitig bezeichnen. Es ist einfach schön nach einem Abend im Pub nach Hause zu kommen, sich zusammen auf ein Bett zu setzen und noch weiter zu quatschen oder durch unsere berühmten „circles“ (so nennen wir unsere meetings, in denen wir uns in einen Kreis zusammensetzen und jede einfach erzählt, was sie gerade so beschäftigt) noch enger zusammenzuwachsen, obwohl man vielleicht angenommen hatte, dass das gar nicht mehr geht.. Natürlich stellt man, je länger man zusammen wohnt, auch fest, wo man unterschiedlicher Meinung ist, so können auch mal Spannungen im Haus entstehen und ich denke, dass wir alle ziemlich unterschiedliche Persönlichkeiten sind. Aber genau da liegt auch die Chance aneinander zu wachsen und sich gegenseitig auf Gedanken zu bringen, auf die man alleine nie gekommen wären.

Die Vorweihnachtszeit hier war sehr schön. Einmal hat es draußen sehr dolle gestürmt (ein Zustand, der immer mal wieder aufkommt) und wir haben drinnen gesessen, Plätzchen gebacken und Weihnachtsdeko gebastelt. Am 17. Dezember haben wir dann eine kleine Winter Solstice Feier gehabt, an der wir metaphorisch unsere Samen fürs neue Jahr gesät haben. Generell haben wir alle sechs Wochen eine kleine oder größere Feier, um den Beginn einer neuen Saison zu markieren. Neulich erst am 1. Februar (St Brigid’s day) haben wir den Frühlingsanfang zelebriert und die berühmten St Brigid’s crosses selbst gebastelt.
Jedenfalls bin ich dann über Weihnachten für gut zwei Wochen zurück nach Deutschland geflogen und ich muss sagen, es fiel mir nicht ganz leicht nach dieser Zeit dann wieder zu meinem Projekt zurückzukehren. Der Abschied von Zuhause war schwerer als der erste im September, doch als mich dann meine vier lieben „Ladies“ vom Bus abgeholt haben, hab ich mich so gefreut und war mir direkt wieder sicher hier sein zu wollen! Dennoch habe ich etwas Zeit gebraucht um wieder anzukommen. Wir haben alle unsere Zimmer gewechselt im Haus und ich teile mir momentan ein Zimmer. Zuvor hatte ich bedenken, dass es belastend werden könnte nicht sein eigenes Zimmer zu haben, aber ich muss sagen, dass das für mich schnell kein Problem mehr war.
Außerdem hat sich unsere wöchentliche Routine mit dem neuen Jahr etwas verändert. Nun verbringen wir einen ganzen Tag in der Woche mit Jeanne (einer unserer Mentorinnen), was ich als unglaublich wertvoll empfinde. Wir haben uns 11 Pflanzen ausgesucht, mit denen wir uns in unserer verbleibenden Zeit genauer außeinandersetzen möchten – momentan ist der Löwenzahn dran. Zudem arbeiten wir mit verschiedensten Ansätzen, unter anderem Bewegung, an unseren Chakren, zum Beispiel unseren „Wurzeln“, um diese zu stärken. Generell bekommen wir bei Jeanne den Raum geboten, an unserem persönlichen Wohlbefinden zu arbeiten und uns, zum Beispiel in Form von Fußbädern oder ätherischen Ölen, etwas Gutes zu tun. Außerdem aber haben wir durch den ganzen Tag nun auch die Kapazität mehr in Jeannes Garten zu gehen und dort kleine Arbeiten für sie zu verrichten. Ich habe das Gefühl intensiv bei Jeanne zu lernen und zwar durch Erinnern und Erfahren tief in mir drin – eine Art des Lernens die neu für mich ist.

Der Fokus liegt nun viel mehr auf der Gartenarbeit, sowohl auf unserem Grundstück, als auch bei Conor und Johanna (dem anderen Ort des Unternehmens). Dort haben wir die Beete im Folientunnel und auch die Außenbeete vorbereitet und schon einiges gepflanzt. Im Zuge der Vorbereitungen haben wir die Beete ausgemessen, gejätet und dann mit Mist und Kompost bzw mit Karton bedeckt. 
Auch auf unserem Grundstück hatten wir einen Folientunnel errichtet und waren auch so gut wie fertig damit, jegliches Gras und die meisten Wurzeln sowie Steine aus dem Boden zu entfernen. Wir haben sogar viel Zeit darin investiert verschiedene Modelle zur Organisiation der Beete im Tunnel zu entwerfen, doch dann gab es leider mal wieder einen recht starken Sturm und der ganze Tunnel wurde vom Wind weggerissen und ist jetzt leider hinüber…

Einmal in der Woche haben wir unseren ‚Abundance Day‘. Hier dreht sich alles um Essen. Wir kochen und backen, entweder für uns selbst oder für KundInnen. Dazu haben wir auch regelmäßig theoretische Einheiten, in denen wir beispielsweise über Nährstoffe im Essen und unsere Beziehung zu den Nahrungsmitteln sprechen, oder auch darüber, was man beachten sollte, wenn man für einen Catering-Gig kocht. Nicht selten tauchen wir ganz automatisch in tiefe Konversationen über größere gesellschaftliche Zusammenhänge ab und reden darüber, „was so alles schief läuft“. Ich denke diese Verbindung aus praktischem aber auch immer wieder theoretischem Ansatz ist optimal um möglichst umfänglich zu lernen und es ist toll das unsere MentorInnen immer wieder versuchen Menschen von außerhalb einzuladen, um uns etwas beizubringen. Zum Beispiel hatten wir neulich erst einen Vortrag über Holz, welcher auch sehr spannend war.

Natürlich müssen wir uns auch immer noch alltäglich um die Hühner und die Eier kümmern, allerdings ist geplant einen Teil der Hühner loszuwerden und auf entstandenem Platz Bäume zu pflanzen.

Mit den Pilzen haben wir schon längere Zeit nichts mehr zu tun gehabt, jedoch sind auch hier Veränderungen geplant. Bald werden wir nämlich einen weiteren Folientunnel errichten um die Kapazitäten für die Pilzzucht auszubauen.

Eine Sache, mit der wir Freiwilligen alle etwas zu kämpfen haben, ist die abgeschiedene Lage unserer Unterkunft. Leider können nur zwei von uns das Auto fahren, dass uns zur Verfügung gestellt wurde und ich glaube wir alle sehnen uns manchmal danach öfter mal andere Menschen zu sehen. Corona verstärkt hier natürlich das Gefühl von Einschränkung nochmal. Nenagh – der nächste größere Ort – ist unser New York geworden.
In dieser Hinsicht war es gut herauszufinden, dass der Pub, den wir zu Fuß erreichen können, wirklich sehr sympathisch ist.

Ein weiteres Highlight war unser Ausflug nach West Cork vor ein paar Wochen. Eine andere Freiwillige hat dort ein wunderschönes Familienhaus direkt am Strand, in dem wir zwei Nächte verbringen durften. Wir waren unter anderem in einer Sauna am Strand und sind sogar mehrmals ins Wasser gehüpft. Das war sehr extrem und sehr gut! Auch die Städtchen, die wir dort besucht haben sind wirklich schön – alles ist sehr bunt..

Die Zeit fliegt wirklich so dahin – bald schon ist die Hälfte vorbei.. Umso mehr freue ich mich auf die Zeit, die ich noch vor mir habe und auf all die Erlebnisse, die noch kommen.

Bis Bald,

Linda

 

Linda ist Teil des Projekts „Wild Abundance“, welches von der Aufnahmeorganisation The Night Orchard organisiert und vom Europäischen Solidaritätskorps und der Irischen Nationalagentur Leargas finanziert wird.