Wenn ich über meine Zeit in Rumänien reflektiere, dann fühlt es sich an, als wäre ich im August einmal schlafen gegangen und jetzt hier, im Januar, aufgewacht – So viel haben wir in dieser Zeit gemacht, dass es sich wie ein Traum anfühlt, der dahin schwindet, je mehr man sich daran zu erinnern versucht.
Mittlerweile bin ich hier wirklich angekommen. Routinen haben sich gebildet, ein neuer Alltag hat sich erschlossen. Es ist leicht, die Unterkunft, in der insgesamt nun sechs ESK-Freiwillige seit Monaten zusammenleben, als Zuhause zu bezeichnen, weil die Leute dafür sorgen, dass man sich nie alleine fühlt.
Egal ob wir Trips quer über Rumänien unternommen oder Movie Nights in unserem improvisierten Heimkino veranstaltet haben: Ich hatte nie ein Problem mit Heimweh, weil mein Heim seit vier Monaten hier ist. Und das wird es auch für die nächsten vier Monate sein – den Umständen nach war die Verlängerung meines Freiwilligendienstes bis Ende April (anstelle von Februar) eine leichte Entscheidung.
Einige Dinge sind gleich geblieben, verglichen mit meinem letzten Bericht. Aufgaben wie die Organisation und Vorbereitung der Quiz Nights, die Aushilfe bei Board Game Nights und AngoLooL, der Englisch Club mit Kindern im Grundschulalter, sind weiterhin gegenwärtig.
Meine Einstellung und Herangehensweise zu diesen Aufgaben hat sich seither ziemlich verändert: War ich damals noch nervös und unsicher, gehen Greta und ich heute viel entspannter an sie heran. Wir sind selbstbewusster, und unser Arbeitsprozess läuft nahezu ohne einen zweiten Gedanken ab, da wir nun die Erfahrung gesammelt haben, um effizienter zu arbeiten.
Besonders AngoLooL ist nicht mehr so einschüchternd – Was sich mittlerweile etwas absurd liest. Ich weiß, wie ich mit den Kindern reden muss, damit sie mich annehmen, und es fühlt sich nicht mehr so überwältigend an, wenn sie mal nicht hören oder der Club ein Chaos ist. Ich weiß, wann ich mich vom Flow der Kinder mitreißen lassen darf und wann sie etwas mehr Richtung brauchen. Ich kann viel von ihnen lernen, die Dinge entspannt anzugehen.
Andere Aufgaben aber sind verschwunden oder dazugekommen. Zu Beginn meines Freiwilligendienstes waren wir noch mehr in den After School Clubs involviert, haben geholfen, sie zu planen und auszuführen. Ich fand es sehr interessant, die unterschiedlichen Schulen in den umliegenden Dörfern Delne, Bánkfalva und Szentsimon und die SchülerInnen kennenzulernen.
Als sich unser Arbeitsplan schließlich geändert hat und keine Zeit mehr für die Aktivitäten war, war das zwar schade, aber mir war bewusst, dass der Fokus meines Projekts woanders liegt.
Der Schwerpunkt unseres Arbeitsplans ist der German Club und English Club, für deren Organisation und Durchführung wir komplett eigenständig verantwortlich sind. Ehrlich gesagt machen sie mich manchmal immer noch nervös, aber sobald die Leute gekommen sind und wir erstmal angefangen haben, vergehen diese Gefühle schnell. Eine große Hilfe sind auch die anderen Freiwilligen, die des Öfteren an den Clubs teilnehmen, um uns zu unterstützen. Eine Herausforderung, mit der wir im Moment konfrontiert sind, ist, sie attraktiver für die Einheimischen zu machen und mehr von unseren eigenen Ideen einzubringen.
Die Arbeit wurde im Laufe der Zeit immer vorhersehbarer, und ich wusste, was ich erwarten sollte. Mein persönliches Highlight in der Woche sind die Besuche im Kindergarten der Stadt, da sie einen sehr geschätzten Kontrast zum Alltagsstress bieten. Dort ist es egal, ob die Kinder und ich die Sprache des anderen sprechen und verstehen können. Man lernt, auf andere Weise zu kommunizieren, und die Wärme, die diese Stunden im Kindergarten bringen, ist Gold wert.
Das trifft besonders auf die kälteren Wintermonate zu. Als es angefangen hat, früher dunkel zu werden, hat man die Folgen davon überall gespürt, besonders im Büro. Die allgemeine Stimmung ist gefallen und für mich war es schwer, meine Motivation und Tagesstruktur aufrechtzuerhalten. Geholfen hat die Routine, die die Arbeit bietet, aber auch die Vielfalt in unserer Freizeitgestaltung. Die Balance zwischen den beiden Dingen war nötig, um gut durch die Dunkelheit zu kommen.
In dieser Zeit haben die anderen Freiwilligen und ich viel unternommen und waren sehr viel beieinander. Unsere Unterkunft wurde zum Treffpunkt für uns alle, war es, um Spiele zu spielen, selbst zubereitete Crêpes zu essen oder einfach nur bis in die Nacht zu reden.
Aber wir haben auch Rumänien weiter erkundet und Trips gemacht, an die ich mich noch immer sehr gerne erinnere. Zum einen ist da unser Wochenende in Sândominic, wo wir ein riesiges Gebirge bis ganz nach oben zur Hauptattraktion vom Lonely Rock hoch gewandert sind und dort in einer kleinen Unterkunft für eine Nacht geblieben sind.
Wo am ersten Tag noch Herbststimmung war, wurden wir in der Nacht auf den nächsten Tag mit dem ersten Schneefall des Jahres überrascht. Einige von uns haben sich einen Schneeballkampf mit anderen Wanderern aus Cluj-Napoca, einer Studentenstadt in Transsilvanien, geliefert und ich habe sie mit anderen von uns dabei beobachtet, da wir lieber im Warmen geblieben sind.
(Nach einiger Zeit bin ich dann doch kurz herausgegangen, nur um dann selbst im Schnee zu landen.)
Der Weg zurück nach unten in den Ort Bălan am nächsten Morgen hatte etwas von einem Wintermärchen, da alles unter einer dicken Schneedecke versteckt war. Ich habe mich in dem Moment wieder wie ein kleines Kind gefühlt, so gefreut habe ich mich!
Ein anderes Wochenende sind wir in die Stadt Constanța gefahren und haben sie erkundet. Zu dem Zeitpunkt war es schon recht windig und kalt, aber ein paar von uns hatten uns fest vorgenommen, im Schwarzen Meer baden zu gehen, und das taten wir auch. Es war total verrückt und waghalsig, aber ich bereue es keine Sekunde lang.
Als die Adventszeit dann begann, hat man förmlich gemerkt, wie die Laune von jedem wieder gestiegen ist. Auch Miercurea Ciuc hat sich den Feierlichkeiten angepasst: Überall lassen sich seit Dezember Lichterketten und Weihnachtsdekoration finden, und im Zentrum der Stadt stehen zwei große Weihnachtsbäume.
Um die Adventszeit richtig einzuläuten, bin ich mit Greta und zwei anderen Freiwilligen in die Städte Cluj und Sibiu gefahren, wo wir mehr von Rumänien sehen und seine größten Weihnachtsmärkte besuchen konnten.
In unserer Unterkunft wurde ebenfalls alles auf Weihnachten umgestellt. Wir haben als Freiwillige einen kleinen Wichtel-Adventskalender vorbereitet und uns gegenseitig beschenkt, es wurde viel gebacken und auch unseren Harry Potter Marathon kann man da keinesfalls unerwähnt lassen.
Doch kurz vor Weihnachten hat der Arbeitsstress natürlich nicht nachgelassen – im Gegenteil. Als Freiwillige in Rumänien sind wir dazu angehalten, einmal während unseres Aufenthalts eine Intercultural Night in der lokalen Bibliothek vorzubereiten, in der die Einheimischen mehr über meine Heimatregion und persönliche Erfahrungen lernen sollten. Für mich fiel sie auf die Woche, bevor wir für die Festtage zurück nach Deutschland fahren würden.
Auch wenn ich viel gearbeitet habe, hatte ich trotzdem total viel Spaß bei der Recherche und Vorbereitung, da diese Aufgabe mir erlaubt hat, mehr über meine Familie, meine eigene Identität und meine Heimat zu lernen und nachzudenken. Die Veranstaltung selbst war, anders als ich erwartet hatte, ein Erfolg – Die Einheimischen, die da waren, waren sehr interessiert und haben auch nach meinem Vortrag noch viele Fragen gestellt.
Im Nachhinein wundert es mich nicht, dass die Zeit wie im Flug vergangen zu sein scheint. Schließlich haben wir sie so gefüllt mit Dingen, die uns die Zeit überhaupt erst vergessen lassen haben. Einerseits bin ich froh darüber, neue Erfahrungen gemacht zu haben und hoffe, sie noch lange im Gedächtnis zu behalten, andererseits habe ich Angst davor, dass die nächsten Monate genauso schnell vorübergehen werden und ich wieder Abschied nehmen muss. Also lege ich mich lieber schlafen und träume diesem Traum hinterher, ehe er sich in Luft auflöst.
Alexandra verbringt ihren Freiwilligendienst bei Care2Travel, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.