Jana in Tbilisi, Georgien // 4. Bericht

Mein vierter und damit vorletzter Bericht bedeutet, dass meine Zeit und mein Freiwilligendienst in Georgien bald zu Ende gehen. Es ist endlich der Sommer nach Tbilisi gekommen und und obwohl ich schon Ende August zurück nach Münster fliege, bin ich gespannt auf alles, was mich noch in den kommenden zwei Monaten erwartet! Mittlerweile habe ich Georgien gut bereist und habe mittlerweile die meisten Großstädte und Regionen hier besucht. In den letzten zwei Monaten war ich vor allem in den Regionen Samtskhe-Javakheti und Guria.

Mitte März hatte ich das Midterm-Meeting in Bakuriani. Wie auch schon im vorherigen Bericht erwähnt, hatten wir geplant, vorher noch in einem kleinen Grüppchen Ski zu fahren zu gehen, aber leider hatten wir schon wieder Pech mit dem Wetter. Ich glaube, ich schaffe es nicht mehr dieses Jahr, den anderen meine Skikünste vorzustellen… wirklich schade… Wir haben trotzdem die Zeit schlau genutzt und vieles in Borjomi erkundet, was auch eine kleine Wanderung zu der Petre Festung zwischen Borjomi und Likani beinhaltete.

Mein Geburtstag war auch genau zu der Zeit, zu der wir in Bakuriani waren. Auf der Nacht vom 15.03.-16.03 sind wir daher in eine Bar gegangen und haben in meinen Geburtstag reingefeiert. Es war eigentlich wirklich nicht mehr Saison, sodass kaum Menschen in der Bar waren, aber Malin und Corvin haben ihr Bestes gegeben, um für die perfekte Geburtstagsstimmung zu sorgen. Sie haben am DJ Pult viele Lieder gespielt und wir haben alle zusammen viel getanzt und gesungen. An meinem Geburtstag selbst wurden ein paar Kinderspiele, wie Topfschlagen und Reise nach Jerusalem, organisiert. Obwohl ich jetzt in das letzte jugendliche Jahr gerutscht bin, war es trotzdem schön nochmal kindisch mit Freunden sein zu können.

Auch beim ersten Lunch während des Midterm-Meetings wurde für mich laut gesungen. Das Geburtstagsgeschenk von Malin und Mirja an mich waren Karten für Ballett in der Opera und Ballett Theater Tbilisis fürs nächste Wochenende. Ich war noch nie bei traditionellem Ballett und zusammen mit weiteren Freiwilligen habe ich die Tanzvorstellung wirklich sehr genossen. Deshalb will ich hier unbedingt nochmal ins Theater gehen und georgischen Tänzen zusehen!

Das Meeting als solches war doppelt so groß wie das On-arrival Training im November! Es war toll neue Gesichter zu sehen und viele neue Freiwillige in Georgien und Armenien kennenzulernen. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass man noch in den letzten vier Monaten so gute Bekanntschaften schließen kann.

Dicht gefolgt von dem ersten Kennenlernen kam auch schon der erste Besuch. Anfang April sind Malin und ich über das katholische Ostern nach Akhaltsikhe gefahren, um unsere neuen Freunde zu besuchen. Die zwei Freiwilligen hatten dort ein eigenes Haus, sodass wir zu zehnt gut unterkamen. Es kamen weitere Freiwillige aus Rustavi, sowie aus Armenien: Dilijan und Gyumri. Das Wochenende haben wir mit Feierlichkeiten und Erkundungen verbracht. Am ersten Tag konnten Malin und ich außerdem schnell mit der Besichtigung Akhaltsikhes abhaken. Die Hauptsehenswürdigkeit war dabei die Rabati Burg. Am nächsten Tag sind wir morgens zu fünft nach Vardzia gefahren. Vardzia ist die größte Höhlenstadt Georgiens und nur anderthalb Stunden von Akhaltsikhe entfernt. Die Felswände mit den Wohnhöhlen haben mich wirklich sehr beeindruckt, obwohl ich auch davor schon Uplistsikhe und David Gareja gesehen habe, die ähnlich aufgebaut waren. Es wird immer gesagt, dass man Georgien nicht richtig gesehen hat, ohne Vardzia gesehen zu haben. Ich kann auf dieses Sprichwort jetzt endlich antworten, dass ich das Herz Georgiens besichtigt habe. Denn meiner Meinung war es wirklich die faszinierendste Sehenswürdigkeit Georgiens. Wir waren leider nur drei Stunden dort und konnten nicht alles sehen. Doch wenn man die Zeit hat, sollte man wirklich das Wunder mit eigenen Augen sehen!

Nachdem ich spontan ein Wochenende mit einer Freundin bei den Gori-Freiwilligen verbracht habe, waren Malin und ich mit jener Freundin noch auf einer Demo gegen die Demoralisierung und Demütigung von Frauen. Die Stimmung an dem Tag war echt toll! Alle Poster und Schilder waren in Pink und Schwarz gehalten und es wurden auch Fahnen ausgeteilt. Es ist echt großartig, sich der Gesellschaft hier anzuschließen und sich mit den Georgiern für die Wichtigen Dinge einzusetzen! Wir sind wirklich viel gelaufen mit den Schildern und haben nur wirklich wenig miese Blicke kassiert. Die meisten Menschen, die wir auf dem Weg getroffen haben, haben uns unterstützt und bejubelt.

Diese zwei Monate waren wirklich von Festlichkeiten gekennzeichnet. Da Georgien orthodox geprägt ist, wird Ostern in Georgien an dem Wochenende nach dem katholischen gefeiert. Wir hatten Freitag und Montag frei bekommen, sodass man gut das lange Wochenende ausnutzen und rumreisen konnte. Mein Freund, Konrad, und ich hatten die Idee, im Internet nachzusehen, ob es besondere Feste innerhalb der Ostertage gibt. Dabei sind wir auf das Fest „Lelo Burti“ gestossen, eine 300 Jahre Tradition in Shukhuti, Guria (eine eher kleine Region zwischen Adjara und Samegrelo an der Schwarzmeerküste). Die Legende besagt, dass eine kleine gurianische Truppe bei einem Leo Burti Spiel die osmanische Armee besiegt habe. Um die Tradition weiterzuführen, treffen sich die männlichen Einwohner Oberen und Unteren Shukhutis (Frauen und Kinder dürfen nur zusehen) daher an dem Ostersonntag, um den Vorläufer des heutigen Spiels Rugby zu spielen. „Lelo Burti“ heißt wortwörtlich übersetzt „Feldball“. Das Spiel ähnelt Rugby nur, da es aber hier kaum Regeln gibt. Die Einzige ist, dass wenn jemand hinfällt oder sich schlecht fühlt, die Spieler die Hand heben können und das Spiel kurz pausiert wird, um die verletzte Person aus dem Gemetzel rauszutragen. Bei diesem Match kann man vieles miterleben; unter anderem Wrestling, Weightlifting, kulturelle Veranstaltungen (Tanz- und Musikvorstellungen), Ausstellungen, sowie auch kleine Stände
mit traditionellem Essen und lokalen Produkten. Das Ballspiel hat insgesamt ein- bis zwei Stunden gedauert. An dem Tag kamen wir gegen12/13 Uhr in Shukhuti angekommen und haben uns mit noch einem Freund getroffen, der auch in der Region war. Wir haben uns die Vorstellungen angeguckt, vieles gegessen und die Musik und die schöne Atmosphäre genossen. Gegen Nachmittag wurde alles abgeräumt und für das große Spiel vorbereitet. Die Georgier gingen zur Kirche, wo auch der Ball vor dem Spiel gesegnet wird. Später konnten wir einen kurzen Blick auf den medizinball-ähnlichen Ball erhaschen, mit dem Lelo Burti gespielt wird. Der Priester hat ihn feierlich aus der Kirche rausgetragen und zum Zentrum der Straße gebracht. Es wird auf der Hauptstraße gespielt, sodass für viele Stunden die komplette Straße abgesperrt wird. Dabei beträgt das Spielfeld rund 400 Meter und das Ziel ist es, den Ball in den Fluss des anderen Teams zu befördern. Das Team das gewinnt darf dann den Ball zu ihrem Friedhof bringen und so mit dem Gewinn ihre Ahnen ehren.
Es war echt eine einzigartige Erfahrung bei dem Spiel zu zuschauen! Es waren so viele Männer auf einem Fleck versammelt – jung und alt – aber trotzdem alle gleich leidenschaftlich. Bei dem Gedränge hatte man echt manchmal Angst, zertrampelt zu werden. Während des Spieles konnte man wegen den Männern die praktisch alle auf einander lagen und gedrängt haben, kaum den Ball sehen. Das werde ich sicher nicht mehr vergessen!

Konrad und ich wollten hauptsächlich nach Guria, um das Spiel mitzuerleben, aber wir dachten uns, dass es auch schön wäre die Region selbst zu erkunden. Wir übernachteten die drei Nächte in einem kleinen Dorf am Meer namens Ureki. Ureki und Shekvetili sind beides Meer-Erholungsorte, die für ihren Strand berühmt sind. In Ureki lag “Magnetiti” – ein Strand mit magnetischem Sand. Von allen Stränden hier in Georgien an denen ich war (Poti, Kobuleti, Batumi, Chakvi) war das bis jetzt der Schönste. Der schwarze Sand in der Kombination mit dem Sonnenuntergang, den wir noch miterleben konnten nach unserer Ankunft gegen 18/19 Uhr, war echt unvergesslich! An dem nächsten Tag haben wir uns vorgenommen die größte Stadt Gurias anzusehen: Ozurgeti. Wir sind über Kobuleti dorthin hingetrampt und die Landschaft war echt berauschend. Es war das ganze Wochenende um die 25 Grad und alles war strahlend grün. In Ozurgeti haben wir uns markante Orte angesehen – darunter das Theater, die Teefelder Anaseuli (zur sowjetischen Zeit wurde in Guria viel Tee und Haselnüsse angebaut) sowie auch den kleinen Fluss Bzhuzhi. Nach dem vielen Rumlaufen war es besonders angenehm, sich mit den Füßen im Wasser abzukühlen.

Am Sonntag war dann das Spiel und Montag früh sind wir wieder los nach Tbilisi mit dem Marshrutka aus Batumi. Die Rückreise war sehr anstrengend und hat acht Stunden, durch den von Ostern verursachten Stau, gedauert. Aber das konnte meinen Gesamteindruck nicht verschlechtern. Guria ist definitiv eine meiner Lieblingsregionen in Georgien und Ureki einer meiner Lieblingsorte. Es war ein sehr schönes Osterwochenende mit vielen neuen Bekanntschaften und Eindrücken!

Jana

Jana verbringt ihren Freiwilligendienst bei GoGroup, ihr Projekt wird kofinanziert von der Europäischen Union.