Judit, Paul and Fynn in Tbilisi, Georgien // 2. Bericht

 

Nach nun 4 Monaten in Georgien ist es Zeit für den zweiten Bericht der Tbilisi-WG. Die letzte Zeit zusammenzufassen ist irgendwie eine schwierige Aufgabe. Wie schon im ersten Bericht angekündigt, nahm Paul an einem Erasmus-Projekt in der Türkei in Gaziantep teil. Anschließend besuchte er noch Istanbul und verbrachte damit insgesamt zwei Wochen in der Türkei.

Währenddessen hat sich unser Leben in Georgien ein wenig auf den Kopf gestellt. Nachdem die illegitime georgische Regierung ankündigte, den EU-Integrationsprozess bis 2028 auszusetzen, brachen in Tbilisi und ganz Georgien Massenproteste aus. Hunderttausende Menschen versammelten sich jede Nacht vor dem Parlament – das Ziel: Neuwahlen. Besonders die ersten anderthalb Wochen nach dem 28. November waren überfordernd. Einerseits war es sehr ermutigend, den Mut, die Ausdauer, die Eigeninitiative und die Koordinationsfähigkeit zu sehen, mit der sich die Bevölkerung ihrer illegitimen Regierung widersetzt.

Andererseits haben wir noch nie Polizeigewalt in diesem Ausmaß aus nächster Nähe erlebt. Auch in der Arbeit hat sich daraufhin einiges geändert. Da die meisten Droni-Mitglieder und Freiwilligen jeden Tag an den Protesten teilnahmen, wurden alle Workshops und Aktivitäten auf unbestimmte Zeit verschoben. Dann veränderte sich die Situation erneut: Die Polizei stellte die direkte Konfrontation mit Demonstrierenden auf der Straße ein. Demonstrationen wurden ruhiger und kleiner; Journalisten und friedliche Aktivisten werden leider dennoch weiterhin verhaftet. Mit den seit 50 Tagen anhaltenden Demonstrationen, zahlreichen Streiks in Schulen, Universitäten und Unternehmen, Petitionen und vielem mehr kämpft die georgische Bevölkerung immer noch um neue und faire Wahlen sowie die Freilassung aller Aktivisten, die im Zuge der Demonstrationen festgenommen wurden. So vergingen die Dezemberwochen wie im Flug, und schon bald standen unsere Weihnachtsferien vor der Tür. Die haben wir voll ausgenutzt: Während Fynn erst Freunde in Belgien und den Niederlanden besuchte und anschließend Weihnachten zu Hause in Hamburg verbrachte, haben Paul und Judit mit Besuch aus Deutschland und einigen anderen Freiwilligen die Feiertage in Stepanzminda verbracht.

Die Bergregion ist echt atemberaubend, und wir konnten sie endlich in echt genießen, anstatt sie nur jeden Tag auf der Postkarte in unserer Küche zu erblicken. Pünktlich fürs neue Jahr haben wir uns dann alle drei wieder in Tbilisi vereint. Silvester haben wir zusammen gefeiert. Neben einer Hausparty und einem Club haben wir an Silvester auch den Protest besucht. Es war richtig schön zu sehen, wie diese kulturell sehr wichtige Feier mit den laufenden Protesten vor dem Parlament verbunden wurde. Auf der Straße vor dem Parlament wurde eine riesige Supra (georgisches Wort für Festessen) aufgebaut. An einer insgesamt über 500 Meter langen Tischkette wurde zusammen gespeist. Anstatt wie gewohnt diese Mahlzeit zu Hause mit der Familie zu haben, haben sich Tausende versammelt und den Moment miteinander geteilt. Das neue Jahr haben wir daraufhin mit einem kurzen Roadtrip durch Kachetien (Georgiens Weinregion) gestartet. Gleich darauf haben wir schon wieder unsere Sachen gepackt, um Skiurlaub in Swanetien zu machen. Wir wurden von perfektem Wetter und sehr viel Schnee empfangen. Ein persönliches Highlight waren die Steintürme in Uschguli. Im Sommer werden wir auf jeden Fall noch einmal zum Wandern zurückkommen. Pünktlich für das zweite Silvester, „Old New Year“, trafen wir wieder in Tbilisi ein. 

Das neue Jahr wird in Georgien doppelt gefeiert – einmal nach dem uns bekannten gregorianischen Kalender und einmal nach dem julianischen Kalender. Dann fällt das Neujahr auf den 14. Januar. Zurück in unserer WG sorgt Paul im Moment für eine sehr angenehme Atmosphäre. Er spielt fleißig unser Klavier im Wohnzimmer (und es hört sich auch wirklich sehr gut an). Mittlerweile geht auch das Arbeitsleben wieder normaler weiter, obwohl die Proteste und Streiks natürlich noch stattfinden. Auf die weiteren Entwicklungen in Georgien sind wir sehr gespannt und haben nur den größten Respekt vor dem ausdauernden Widerstand.

 

Judit and Fynn verbringen ihren Freiwilligendienst bei DRONI, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.

Paul verbringt seinen Freiwilligendienst bei GoGroup, sein Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.