Ein letztes Mal: Hola und Bondia, von mir, Louisa aus Blanes. Ich sitze gerade in Casa Olivera, Mias und meinem Stammcafé, gönne mir ein letztes Mal Churros mit Schokolade und kann es kaum fassen, dass ich jetzt schon meinen Abschlussbericht schreibe. Ich denke, eine der Sachen, die ich in all der Zeit hier in Spanien am meisten schätzen und lieben gelernt habe, ist die Gastfreundschaft der Menschen hier. Vor zwei Wochen erst, während einer zweitägigen Wanderung mit einem anderen Praktikanten aus dem botanischen Garten, wurden wir durch eine zufällige Begegnung (weil Elio seine Glasflasche auf dem Weg kaputt gegangen war) von einem Mann auf einen Tee in seiner Finca eingeladen, haben ein bisschen geplaudert und zum Abschied noch einen selbstgebrannten Nusslikör geschenkt bekommen. Die Wanderung war definitiv eines meiner Highlights der letzten Zeit hier. Wir waren begeistert von den vielen Algarrobo Bäumen in dem Gebiet und natürlich wurde generell sehr viel Pflanzen gefachsimpelt. Am Abend haben wir uns dann ein ruhiges Plätzchen gesucht um Zelte aufschlagen, der Nusslikör musste erst mal probiert werden und am Morgen wurde dann einen Tee aus Cystus gekocht, eine Pflanze die direkt am Zeltrand gewachsen ist und so direkt Verwendung gefunden hat:) Begegnungen, wie diese mit dem guten Jorge und seiner Finca, geben mir hier so viel und erwärmen jedes Mal aufs Neue mein Herz.
Ein weiteres Highlight für mich letzten Monat war die Begegnung mit Jawa, eine Musikstudentin aus Barcelona, die ich auf einem Solikonzert dort kennengelernt habe und die mich direkt eingeladen hat bei ihr zu Übernachten, damit ich nicht Nachts noch nach Blanes zurück fahren muss. Ein Paar Wochen später dann habe ich mich in einem wunderschönen alten Musiksaal wiedergefunden, in dem fünfjährige kaum Töne treffend für Elise oder die Titelmusik von Harry Potter gespielt haben, weil Jawa die dort Klarinettenunterricht gibt mich zu diesem süßen Konzert eingeladen hat! Solche Erlebnisse genieße ich besonders doll, weil ich das Gefühl habe, nicht nur einen Einblick in das Leben der Menschen hier vor Ort zu bekommen, sondern richtig daran teilhaben zu dürfen und irgendwo auch immer ein Stück Kultur mitzunehmen.
Jetzt in den letzten Tagen, mit Mia in Blanes, habe ich auch nochmal das Leben in einer Kleinstadt besonders schätzen gelernt. Denn als wir an unserem letzten Tag zu unserem Stammgemüseladen gegangen sind, wurden wir direkt mit offenen Armen begrüßt und mit einer Liebeserklärung nach der anderen überschüttet, wie sehr wir vermisst werden würden und dass wir hier immer willkommen sein werden. Auch die Brotverkäuferin von der Bäckerei gegenüber hat sich noch total süß von uns verabschiedet und mit dem Gedanken dass wir beim Gemüse und Brot kaufen natürlich eigentlich nicht viel mehr als Smalltalkgespräche hatten, möchte ich gar nicht erst anfangen, wie emotional die Verabschiedung in Marimurtra war. Es gab ein Abschieds Barbecue, Mia und ich hatten Kartoffelsalat und selbstgebackenes deutsches Brot mitgebracht und als wir uns schlussendlich Richtung Ausgang bewegt haben, sind dann die Tränen ausgebrochen. Dieser Ort und die Menschen, die dort arbeiten, sind mir so unglaublich doll ans Herz gewachsen, sie haben so viele schöne Erinnerungen in mir hinterlassen, so neue Perspektiven gezeigt und mich so viel gelehrt!
Als ich den Garten zum ersten Mal besuchte, war ich von der Schönheit der Pflanzen, der Aussicht und der Architektur überwältigt. Ich habe mein Projekt begonnen, weil ich mich für Pflanzen und Umweltschutz interessiere und lernen wollte, wie wir als Menschen diese Themen verknüpfen und daran arbeiten können. In diesen neun Monaten hat sich mein Blick auf all das sehr verändert. All diese Zeit zwischen so vielen verschiedenen Tier- und Pflanzenarten hat mir jeden Tag aufs Neue die Kostbarkeit der Natur näher gebracht und auch die Bedeutung der Verbreitung von biologischem und ökologischem Wissen. Deswegen war eines meiner Lieblingsprojekte hier im Garten auch die Kollaboration mit einer Schule, um die Artenvielfalt auf dem Schulhof zu fördern und den Kindern diese Themen so näher zu bringen. Ich fand es total interessant, all die komplexen und neuen Dinge, die ich selber teilweise gerade erst gelernt habe, in einer Weise aufzubereiten, die Kinder anschaulich ist und ihr Interesse weckt. Zu sehen, wie wir, während dem Insektenhotels zusammenbasteln oder Kompost erklären, Kinderaugen zum Leuchten bringen konnten und so viel Neugierde und Dankbarkeit zurückbekommen haben, hat mir richtig Hoffnung gegeben.
Im Garten habe ich außerdem gelernt, durch die Imitation eines Ökosystems, Artenvielfalt zu fördern. Andererseits ist das Ziel eines botanischen Gartens aber auch besondere Arten und Arten die vom Aussterben bedroht sind und möglicherweise in einem natürlichen Ökosystem ohne Menschlichen Eingriff gar nicht richtig überleben könnten zu zeigen. Die Schwierigkeit der Balance zwischen diesen beiden wichtigen Zielen findet sich in so vielen kleinen Entscheidungen wieder und hat mich über meine gesamte Zeit hier begleitet.
Rückblickend auf meine anfängliche Perspektive, haben mich all diese Dinge vor allem darüber nachdenken lassen, inwiefern es überhaupt unsere Aufgabe ist, als Menschen in die Natur einzugreifen, selbst wenn unser Ziel ist, die Umwelt zu schützen. So oft habe ich gesehen, dass die Natur so vieles von selber, ohne menschlichen Eingriff regeln kann. Es hat mir gezeigt, wie viel wir von der Natur lernen können und wie wichtig es ist, sich von dem Gedanken loszulösen, dass wir als Menschen über all dem stehen. Stattdessen habe ich gelernt, Ökosysteme erst nachzuvollziehen, bevor wir als Menschen eingreifen. Mit all diesen neuen Gedankenansätzen lässt mich die Erfahrung in Marimurtra zurück. Mit vielen neuen Erfahrungen, Perspektiven, einigen unbeantworteten Fragen, aber vor allem mit einer großen Neugierde, mehr über all diese Themen zu lernen.
Wenn ich jetzt durch den botanischen Garten spaziere, sehe ich nicht mehr nur die schönen Pflanzen und Ausblicke, sondern ich sehe die Bemühungen und Leistungen der Gärtner, ich sehe die Arten, die auf so komplexe und faszinierende Weise miteinander interagieren, und ich sehe meine eigenen Erinnerungen in jedem Winkel und jeder Ecke von Marimurtra. Und es tut so gut, wissen zu können, dass ich immer wieder zurückkommen kann, um mich mit selbstgemachtem Hummus oder Gazpacho unter die Weinreben im dritten Garten zu setzen und mit Iker und Ivan in ihrer wohlverdienten Mittagspause zu plaudern.
Louisa verbachte ihren Freiwilligendienst bei Carl Faust Foundation im Botanischen Garten Marimurtra. Ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.