So, jetzt ist es wohl so weit. Meine Zeit in Thessaloniki ist vorbei, ich bin wieder Zuhause und habe nun die Aufgabe, in Textform festzuhalten, was meine letzten 7 Monate als Freiwillige in Griechenland für mich bedeutet haben und wie ich sie erlebt habe – das ist gar nicht so einfach.
Als ich mich vor etwas mehr als einem Jahr dazu entschied, mich für dieses ESC-projekt zu bewerben, war es vor allem die Ahnungslosigkeit zur Frage “Was tun nach dem Abi?” und der Journalismus-Aspekt, die mich an der Möglichkeit eines Freiwilligendienst in Griechenland begeisterten. Ich wollte weg aus meiner Umgebung, neue Leute kennenlernen, einen Schritt aus meiner Komfortzone wagen und ein bisschen was dazu lernen.
Erwartungen hatte ich nicht viele – ja, im Voraus dachte ich viel darüber nach, wie und ob das Zusammenleben mit so vielen Leuten funktionieren könnte, ob ich es schaffen würde, ein bisschen aus mir heraus zu kommen und Freundschaften zu schliessen, auf was für Leute ich treffen würde, wie mir die Arbeit gefallen wird – aber all das waren offene Fragen, und ich konnte mir selbst keine Antwort darauf geben, geschweige denn ausmalen, wie es im Endeffekt aussehen würde. Schliesslich hoffte ich einfach auf offene Leute die bereit wären, neue Kontakte zu knüpfen und ich war mir ziemlich sicher, dass sich diese Hoffnung erfüllen würde.
Mittlerweile habe ich Antworten auf meine Fragen gefunden und kann retrospektiv all das beantworten, was zu Beginn noch als grosses Fragezeichen vor mir lag. Der sich sorgenden Luise von vor 7 Monaten könnte ich versichern, dass sie ihren Platz in dem Haus (wenn auch mit ein wenig Eingewöhnungszeit) finden und Freundschaften schliessen wird, dass eine unfassbar ereignisreiche, tolle, aber auch herausfordernde Zeit vor ihr liegt und dass es eine gute Entscheidung war, sich für den Freiwilligendienst in Thessaloniki zu bewerben, weil sie diese Zeit ihres Lebens wohl nicht so schnell vergessen wird.
Mit all den Erinnerungen und besonderen Momenten der vergangenen Monate könnte ich wahrscheinlich ein Buch füllen, deswegen werde ich nur die Top 3 meiner einprägsamsten und schönsten Momente hier mit euch teilen:
1: Unser Trip nach Chalkidiki → wir haben mit einem gemietetem Auto einen Roadtrip um den zweiten Inselarm gemacht und haben dabei an verschiedenen wunderschönen Strände wie dem Paradise Beach oder Vourvourou zum Baden gestoppt – es ist absolut paradiesisch (glasklares Wasser, sooo schöne Natur) und der perfekte Anlaufpunkt, wenn man mal eine Auszeit von dem Haus (oder generell) braucht. Ganz besonders im Frühling mit all dem Grün super empfehlenswert!!
2: Feiern gehen an dem sogenannten Tsiknopempti-Tag (Rauchdonnerstag) → an diesem Tag grillen alle Leute draussen und in der Nacht sind die Strassen mit Menschen gefüllt, die zu griechischer Musik tanzen und die Zeit ihres Lebens haben :))
3: Tanzen im Gewitterregen mit epischer Musik auf dem Dach unseres Hauses, bis all unsere Klamotten komplett nass und wir völlig kaputt waren
Neben diesen drei Highlights haben wir auch so viel erlebt Anderes erlebt, jeden Tag in unseren Lieblingscafés gegossipt, hatten enorm viel Spass und auch den ein oder anderen dramatischen Krisen-Moment. Wir waren an so vielen unterschiedlichen Orten, haben die Schönheit des vermeintich hässlichen Thessaloniki entdeckt, waren in Sofia, Skopje, Istanbul, Athen, Meteora, und anderen kleinen Orten der Umgebung, haben viele Sonnenuntergänge von der Stadtmauer aus angesehen, viel Zeit am Hafen verbracht und sind am Ende immer wieder in unser chaotisches, aber geliebtes Haus zurückgekommen
Insgesamt lässt sich sagen, dass unsere Wohnsituation, eben dieses Haus, in dem wir gemeinsam mit 20-30 anderen Freiwilligen gelebt haben, unseren Aufenthalt zu dem gemacht hat, was er im Endeffekt war. Genau das ist es auch, was ich jetzt, zurück Zuhause, am Meisten vermisse: das ständige Umgebensein von Leuten, all die unterschiedlichen und legendären Charaktere, das gemeinsame chillen in der Küche oder auf dem Balkon, die Krisensitzungen, die Nächte auf dem Dach, sogar unser kleines geteiltes Zimmer. Durch diese besondere Situation konnte ich lernen, mich mit Leuten zu arrangieren und Menschen zu mögen, die eigentlich auf den ersten Blick so gar nicht mein Vibe sind, Konflikte zu lösen statt zu scheuen und mir auch mal Zeit für mich selbst zu nehmen, wenn es grad zu viel ist.
Zu BalkanHotspot lässt sich aus meiner Perspektive sagen, dass es ein Projekt mit viel Potential ist. Es gibt Freiwilligen die Möglichkeit, sich in verschiedenen Medienbereichen auszuprobieren und auch einiges dazu zu lernen. Was mir und uns als Team immer ein wenig gefehlt hat, war eine thematische Richtungsweisung oder auch eine Anleitung, wie oder was wir als Content produzieren sollen. Dir oder euch als zukünftige(r) Freiwillige(r) würde ich gern ein paar Sachen mitgeben:
1. ihr braucht viel Eigeninitiative und eigene Ideen, um aus BalkanHotspot etwas zu machen
2. erwartet nicht, dass euer content auf eine grosse Audienz oder Leserschaft trifft, sondern begreift es eher ein bisschen als Zeit des Ausprobierens und Non-Formal-Learnings
3. Seid kreativ und überlegt euch ein eigenes Projekt, an dem ihr arbeiten oder dass ihr umsetzen wollt – wenn ihr eine richtige Idee habt, ist USB eigentlich immer bereit, das zu unterstützen (zwei Leute aus unserem Freiwilligenteam haben zum Beispiel eine Dokumentation über Aktivismus gedreht)
4. Seid nicht schüchtern zu kritisieren, wenn euch etwas nicht passt oder ihr etwas verändern wollt
Ich war innerhalb des Projektes hauptsächlich für Social Media verantwortlich und habe es mir mit meiner Teamkollegin zur Aufgabe gemacht, ein neues Design für das Social Media von BalkanHotspot zu entwerfen, dafür templates zu kreieren und das alles komplett umzustrukturieren. Durch diesen Prozess habe ich ganz schön viel über Graphic Design und Visuelle Kommunikation gelernt. Ausserdem war ich für eines unserer Magazine Teil des Editor-Teams. Wir haben die Texte der Anderen lektoriert, deadlines gesetzt, magazine meetings gehalten, Cover gestaltet, selbst Artikel geschrieben und waren dafür verantwortlich, dass aus den vielen Beiträgen unserer Teamkolleg*innen am Ende ein richtiges Magazin wird. Am Anfang hatte ich Angst, dass ich dieser Verantwortung nicht gewachsen wäre, aber ich kann euch nur sagen: traut euch und macht das, wenn ihr Bock habt, es ist ein cooler und zeitfüllender Job, der sich sinnvoll anfühlt und es ist echt nice, am Ende ein “eigenes” Magazin in der Hand zu halten.
Abschliessend würde ich sagen, dass es sich definitiv gelohnt hat, einen Freiwilligendienst im Rahmen des ESK-Programmes zu machen: Es war bereichernd, herausfordernd, und vor allem mega ereignisreich. Ich würde es jedem, also auch dir, empfehlen, denn es ist eine Zeit, die dir vieles lehren wird und dich wachsen lässt: Du wirst Dinge über dich selbst herausfinden, die du vorher nicht wusstest, du wirst definitiv social skills bekommen, und du wirst tolle Leute kennenlernen. Das, was ich an meinem letzten Tag in Thessaloniki gemacht habe, beschreibt wahrscheinlich ganz gut, wie prägend diese Zeit für mich war: ich habe mir unser Haus tattoowieren lassen. Anagnostara 13 bleibt jetzt immer bei mir 🙂
Luise verbringt ihren Freiwilligendienst bei Fix In Art / Anazitites Theatrou, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.