Auch wenn ich nach den fünf Monaten hier in Georgien nicht mehr in der berüchtigten „honeymoon“-phase bin, hat sich das Gefühl von Alltag noch nicht ganz eingeschlichen. Besonders durch die abwechslungsreiche und zugleich herausfordernde Arbeit bei DRONI ist kein Tag gleich. Anfang Dezember durfte ich einer andere Freiwilligen bei der Moderation ihres Projekts „Gender Equality at the workplace“ unterstützen. Es war eine sehr arbeitsintensive Woche, aber trotzdem war es sehr interessant Einblicke hinter die Kulissen zu bekommen, insbesondere darüber was alles zu der Struktur und dem internen Ablauf eines Projektes gehört. Im Zuge des Projektes bekam ich auch die Möglichkeit bei einem Besuch bei der Tbilisi Pride und der UN Women beizuwohnen, was einen Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen, Herausforderungen und Entwicklungen eröffnet hat, wenn es um die Situation von Frauen und der LGBTQI+-Community in Georgien geht. Denn auch hier hat sich erneut gezeigt, dass man diese nicht auf ganz Georgien generalisieren kann, da, auch wenn es ein kleines Land ist, die Unterschiede zwischen urbanisierten und ländlichen Raum, sowie den Generationen, gravierend sind.
Auch der nächste Urlaub war schnell geplant; nach Gudauri zum Skifahren sollte es gehen. Ganz aufgegangen ist der Plan allerdings nicht, da die Pisten eher braun als weiß waren. Trotzdem war der Urlaub in den Bergen wunderschön und ich konnte meine ersten richtigen Tramp-Erfahrungen sammeln, was wirklich aufregend war.
Mit dem Dezember begann zumindest für uns auch die Adventszeit. Ehrlicherweise hatte ich etwas Sorge vor dem (Nicht-)Eintreten der Weihnachtszeit, da für mich kaum eine Zeit so familiär geprägt ist, wie Weihnachten es ist. Es ist auch das erste Weihnachten, was ich abseits meiner Familie feiere, in einem Land, in dem das Weihnachten, wie ich es von zuhause kenne, gar nicht gefeiert wird. Denn die Mehrheit Georgiens ist georgisch-orthodox, das bedeutet, dass es zwar auch ein Weihnachtsfest gibt, dieses allerdings erst am 7. Januar, gemäß dem alten Julianischen Kalender, stattfindet. Im Gegensatz zu Europa wird Weihnachten in Georgien ohne Geschenke gefeiert. Wichtig ist der Besuch der Mitternachtsmesse und ein gemeinsames Festessen mit der Familie. Trotzdem nimmt es traditionell nicht dieselbe Wichtigkeit ein, wie Silvester und Neujahr.
Doch die befürchtete Einsamkeit oder das Anbahnen von Heimweh trat gar nicht ein. Meine Mitbewohnerin und ich haben uns für unsere Wohnung einen Adventskalender und Dekoration gebastelt und durch die vielen Weihnachtslichter in der Innenstadt kam sogar eine richtige Weihnachtsstimmung auf! Es gab sogar einen Weihnachtsmarkt, der zwar erst Ende Dezember öffnete, dafür aber auch bis Mitte Januar geöffnet ist. In unserer Wohnung fand auch ein „Tschitschilaki“ sein Zuhause, der georgische Weihnachtsbaum, der eigentlich eher ein Neujahrbaum ist. Er besteht aus einem Holzstück mit lockigen Spänen und soll Glück und Fruchtbarkeit bringen. Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage haben wir als größere Gruppe von deutschen und österreichischen Freiwilligen in Gori bei den dortigen Freiwilligen verbracht, deren Wohnung groß genug für uns alle ist. Traditionell wurden dann zusammen Klöße, Rotkohl und ein vegetarischer Braten mit Soße gekocht, gewichtelt und Weihnachtslieder rauf und runter gesungen.
Für Silvester kehrten wir dann auch zusammen nach Tbilisi zurück. Neujahr richtet sich nach dem neuen Kalender und wird wie in Deutschland am 1. Januar gefeiert. Silvester und Neujahr sind in Georgien traditionell wichtiger als das Weihnachtsfest, welches eher kirchlich gefeiert wird. Hier gibt es Geschenke, Süßigkeiten und viel Essen. Wir entschieden uns dafür Mitternacht im Zentrum Tbilisis, am Liberty Square, das Feuerwerk anzuschauen, auch wenn die Fahrt mit der Metro kurz nach 23 Uhr nicht zu den besten Ideen des Abends gehörte. An Menschenmassen ist man in Tbilisi nach der immer wiederkehrenden Rushhour schnell gewöhnt, doch so voll wie an Silvester habe ich die Metro noch nie erlebt. Merke also: am nächsten Feiertag lieber zu Fuß gehen, wenn man nicht zerquetscht werden möchte. Die Nacht wurde dann tanzend verbracht und danach blieb auch nicht viel Zeit zum Ausschlafen, denn schon am 1. Januar um 7 Uhr morgens, fuhr die Marschrutka zum nächsten Urlaubsziel nach Mestia ab, wo wir dann alle nach der 10 stündigen Fahrt müde ankamen. Dort haben wir in einem Dorf auf einem Bauernhof für eine Woche die Ruhe der Berge genossen, sind im tiefen Schnee ausgeritten, gewandert, Schlitten gefahren und haben Schneeballschlachten ausgefochten. Swanetien gehört bis jetzt auf jeden Fall zu meiner Lieblingsregion in Georgien und ist definitiv mehrere Besuche wert!
Zurück in Tbilisi begann dann auch schon wieder die Arbeit, da das DRONI-Büro über Weihnachten und Neujahr geschlossen war. Ich bin aktuell in der Ideenfindungsphase für ein eigenes Projekt, allerdings enden die Fristen schon im Februar, wodurch die Zeit langsam knapp wird. Dafür habe ich auch einen Workshop über das Schreiben von Projekten besucht, in welchem auch gezeigt wurde, wie man diese dann offiziell einreicht.
Inzwischen hat sich das Gefühl von Zuhause sein breit gemacht und wenn die Marschrutka nach Tbilisi reinfährt, fühlt es sich inzwischen schon nach ankommen an. Durch den Jahreswechsel wurde mir auch bewusst, dass ich dieses Jahr auch schon wieder nach Deutschland zurückfliege und ein neuer Lebensabschnitt beginnt, was einerseits aufregend, aber auch ziemlich beunruhigend ist. Deshalb versuche ich die Zeit hier in vollen Zügen zu genießen, denn auch wenn mir bei der Bewerbung im Februar im letzten Jahr die angegeben 10/11 Monate sehr lang vorkamen, hier vergehen sie wie im Fluge!
Malin
Malin verbringt ihren ESK Freiwilligendienst bei Youth Association DRONI, ihr Projekt wird kofinanziert von der Europäischen Union.