Die Zeit fliegt, es scheinen erst Tage vergangen zu sein, seit ich den letzten Bericht geschrieben habe. Und nun sitze ich hier wieder, zwei Monate später, die sich eher anfühlen wie zwei Wochen. Und auch in diesen Monaten ist wieder viel passiert.
Ich habe an einem Trainingskurs teilgenommen, in dem sich die Jugendarbeiter*innen der Partnerorganisationen Workshops zu verschiedenen Themen, wie Cyberbullying, Mental Health und kulturelle Begegnungen gezeigt haben, die wir nun mit Jugendlichen in unserer Organisation durchführen. Die Teilnahme an solchen Projekten mit anderen Jugendarbeiter*innen ist jedes Mal aufs Neue sehr interessant und bereichernd. Ein eigenes Projekt habe ich dieses Jahr nicht eingereicht, ich war tatsächlich etwas überwältigt, wie viel Arbeit es ist ein Projekt zu konzipieren, zu schreiben, sich auf die Suche nach Partnerorganisationen zu machen und es dann letztlich einzureichen. Wenn man allerdings sich frühzeitig damit auseinandersetzt, ist das definitiv zu bewältigen und wäre sicherlich eine nützliche Erfahrung für die Zukunft. Dafür habe ich die Möglichkeit erhalten ein Projekt über Theatre Education zu koordinieren und die Trainer*innen bei der Durchführung zu unterstützen, was eine willkommene Herausforderung ist. Ein wenig konnte ich ja schon bei dem Gender Equality Projekt im Dezember hinter die Kulissen schauen und finde es jetzt umso interessanter, selber Verantwortung tragen zu dürfen.
Überraschenderweise nimmt der Besuch von Sportevents auch einen großen Teil meiner Highlights der letzten zwei Monate ein. Ich war zum ersten Mal bei einem Rugbyspiel, ein Sport, der mir davor wirklich fremd war, aber ein fünfminütiges Youtubevideo vor dem Spiel über das Regelwerk musste dann genügen. Hinzu kam, dass es sogar ein Länderspiel zwischen Georgien und Deutschland war, der Auftakt zur Europameisterschaft, auch wenn wir, die fünfzehn deutschen Freiwilligen, eher ein kleiner Fanblock waren. Trotz unserer lautstarker Unterstützung hat Deutschland verloren, das 75-12 hat es aber auch nicht wirklich knapp gemacht. Auch wenn die Niederlage tief saß, haben Jana und ich alles für das Selfie mit dem georgischen Spieler Lobzhanidze gegeben und sind so dann doch noch auf die georgische Seite übergelaufen.
Das nächste sportliche Ereignis war etwas weiter weg, hoch in den Bergen in Bakuriani. Dort waren die World Championships für Freestyle Ski, Snowboard und Freeski. Ein paar Wettkämpfe konnten wir beiwohnen, allerdings wurde aufgrund des Windes viel verschoben, weshalb wir uns eine alternative Beschäftigung suchen mussten. Am ersten Tag wurde es Rodeln und die letzten zwei Tage ging es dann für uns ganz im Sinne des World Championships selber auf die Piste, für mich auch das erste Mal auf Skiern überhaupt. Die Aussicht war wunderschön und auch wenn das Gefälle der Piste wirklich angsteinflößend war, hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Das Ganze wird auch kommende Woche vor dem Midterm-Training, welches auch in Bakuriani stattfindet, wiederholt, hoffentlich ohne Verletzungen und viel Muskelkater.
Das Entdecken Georgiens kam natürlich auch nicht zu kurz, es ging für mich das erste Mal ans Meer in Georgien, als wir die Küstenstädte Poti, Kobuleti und Batumi besucht haben. Das Wetter war leider nicht optimal, umso mehr möchte ich nochmal im Sommer ans Meer, um dann alle Vorzüge eines Urlaubs am Meer zu nutzen. Außerdem war ich in der Felsenstadt Uplisziche, in der schon Menschen in der Bronzezeit siedelten. Hier sind Höhlen in den Felsen geschlagen, es gab neben Wohnungen auch ein Amphitheater, eine Apotheke, ein Gefängnis und Plätze für Tieropferungen.
Landschaftlich ähnlich war auch die Umgebung des ältesten Klosters Georgiens Dawit Garedscha, welches unmittelbar an der Grenze zu Aserbaidschan liegt, so nah, dass Grenzbeamte aufpassen, dass niemand über die Berge illegal die Grenze überquert. Auch hier sind Räume in den Stein geschlagen, allerdings gibt es auch zusätzlich Bauten und Türme. Ausblick hat man von dort auf die sogenannten Regenbogenfelsen, die aufgrund der unterschiedlichen Gesteinsschichten wie gestreift angemalt aussehen.
Doch was besonders prägend für mich in den letzten Wochen war, waren die Proteste und Unruhen als Reaktion auf das „Agentengesetz“ in Georgien. Dabei ging es um einen Gesetzesentwurf in dem es hauptsächlich um das Anlegen eines Registers für „ausländische Agenten“ ging. Das bedeutet, dass Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, wie auch zum Beispiel meine Organisation DRONI, sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Anderenfalls sollten Strafen drohen. Kritiker*innen warfen der Regierung vor, dass das geplante Gesetz nach russischem Vorbild ausgearbeitet worden sei (dort gibt es seit 2012 ein ähnliches Gesetz, dass seither vom Kreml genutzt wird, um gegen Medien, regierungskritische Organisationen und andere Kritiker*innen vorzugehen), die Medienfreiheit eingeschränkt werden würde und dass ein solches Gesetz den Weg für eine autoritäre Ausrichtung ebne. Zudem gerate die EU-Perspektive in Gefahr, die hier seit vielen Jahren schon angestrebt wird.
In den Tagen vor der Abstimmung über den Entwurf versammelten sich mehrere Tausend Menschen vor dem Parlament in Tbilisi. Die Polizei reagierte hart, es kamen Wasserwerfer und Tränengas zum Einsatz, zudem wurden Demonstrierende festgenommen. Ich war davor in Deutschland auf vielen Demos, aber mit Tränengas kam ich vorher noch nie in Berührung und war wirklich geschockt, da es uns alle ziemlich unvorbereitet getroffen hat. Es war definitiv eine surreale Erfahrung, die Europahymne zuhören, während Menschen von Wasserwerfern zurückgedrängt werden, das sind Bilder, die ich erstmal nicht vergessen werde.
Angesichts der großen Proteste hat das Parlament nun das umstrittene Gesetz abgelehnt, ein großer Erfolg, auch wenn die Unzufriedenheit mit der Politik und der regierenden Partei verbleibt. Wie sich die politische Lage hier nun entwickeln wird, lässt sich nur vermuten.
Bis in zwei Monaten,
Malin
Malin verbringt ihren Freiwilligendienst in der Youth Association DRONI, ihr Projekt wird kofinanziert von der Europäischen Union.