Liebe Rieke,
wie du weißt, bin ich nicht zum ersten Mal in Polen und auch nicht zum ersten Mal in Danzig. Das erste Mal war ich hier mit dir 2017 und es war schön, die Erinnerungen von damals zu erwecken, als ich meine ersten Erkundungsspaziergänge durch die Innenstadt gemacht habe: die Hafenbecken, die Bernsteingeschäfte, eine Shopping-Mall in der wir zusammen waren und zuletzt fand ich auch das Pfadfinder-Hostel wieder, in dem wir 2017 eine Nacht verbrachten. Das ist jetzt direkt neben dem größten Einkaufszentrum der Stadt. Ich glaube das war damals noch nicht da.
Seit ich hier in Danzig wohne, bin ich schon einmal umgezogen, genauer gesagt nach 12 Tagen, die ich mit Saara und Arú, den Freiwilligen, mit denen ich im Büro arbeite zusammengewohnt habe. Denn ab dann kamen weitere Freiwillige an, die jetzt meine Mitbewohnerinnen sind. Wir teilen uns eine renovierte Wohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses mit direkter Busanbindung zu meinem Arbeitsplatz. Ich habe mein eigenes Zimmer dort, was ich sehr genieße. Ich mache jetzt jeden Morgen nach dem Aufstehen ein bisschen Sport, manchmal Tanzen, manchmal Dehnen, aber meistens eine kurze Yogasequenz. Und jetzt, wo das Wetter besser wird, laufe ich auch gern die 5,5 km bis zur Arbeit. Ich nehme jeden Tag einen anderen Weg. So erkunde ich die Stadt und trainiere meine Orientierungsfähigkeit! Und es macht mir einfach Spaß, immer etwas Neues zu entdecken. Das ganze ist nur möglich, weil ich erst um 10 im Büro sein muss. Oftmals komme ich auch früher an, dann kann ich nachmittags eher gehen.
Derzeit arbeite ich noch viel im Büro. Ich recherchiere, welche Umweltschutzprojekte es in der Stadt gibt und wie man diese weiterentwickeln kann, aber vor allem nehme ich Projektideen zum Thema Ressourcen-Schonung aus dem Alltag. Z. B. nutzen die Menschen hier in den Einkaufsläden sehr viele Einweg-Plastiktüten für Obst, Gemüse, sogar um Mehlsäcke oder Papiergebäcktüten herum und kaufen zusätzlich noch Einkaufstüten an der Kasse, weil sie keine Taschen mitgebracht haben. In den Parks, aber besonders in Baugebieten liegt sehr viel Müll herum. Es macht mich traurig, das zu sehen und ich frage mich, wie man das Umweltbewusstsein der Menschen stärken kann. Zuletzt habe ich eine Umweltaktivistin aus der Stadt kennenlernen können und ich hoffe sehr, dass ich jetzt ab dem Frühling mehr Zeit draußen in der Natur verbringen kann, vorallem auch während der Arbeitszeit!
Für die Fastenzeit (14.02.-31.03.2024) habe ich wöchentliche Herausforderungen für Erwachsene und auch für Kinder formuliert, die teilweise von meinen Kollegen weiterversendet wurden. Ich habe außerdem einige Workshopangebote für Schulen ausgearbeitet, die hoffentlich bald versendet werden, damit die Schulen mich dafür anfragen können. Ansonsten habe ich bisher viel geholfen bei der Koordinierung der verschiedenen Freiwilligen, die nicht regelmäßig zu unserer Koordinatorin ins Büro kommen, habe Einkäufe für die neue Wohnung erledigt, dabei viele Einkaufszenten kennengelernt und sperrige Sachen in Bussen trasportiert. Ich hatte auch die Chance , bei einigen Konferenzen dabei zu sein, z.B. war ich im lokalen Fernsehsender zu sehen, im Rahmen einer Pressekonferenz zum WOŚP, was die größte Benefizveranstaltung Polens ist. Und kürzlich kam in unser Haus, das ECS (Europäisches Solidaritäts-Zentrum), eine Delegation der Bremischen Bürgerschaft zum städtepartnerschaftlichen Austausch. In unserem Fall ging es um die Einbeziehung von Jugendlichen in politische Entscheidungen.
Ich hatte auch schon mein „On-Arrival-Training“ in Warschau, naja im Endeffekt war es 20 km vom Zentrum entfernt, in einem Konferenzhotel mit tollem Essen und einem Tagungsraum mit brandneuem Teppich. Dort konnte ich Freiwillige aus 9 Ländern, die aus allen Ecken Polens angereist kamen, und deren Geschichten kennenlernen. Wir waren eine super harmonische Gruppe und konnten viel voneinander lernen und miteinander diskutieren. Aus dieser Woche ging ich mit neuer Motivation, neuen Ideen und einem guten Gefühl heraus. Mir wurden ein paar meiner Gewohnheiten rückgemeldet an denen ich arbeiten möchte, ich habe aber auch zu verstehen bekommen, dass ich vieles richtig mache und vor allem schon sehr gut auf mein seelisches wohl aufpasse!
Natürlich vermisse ich meine Familie, insbesondere weil wir vor meiner Abreise aufgrund des Tods meiner Oma eine sehr intensive Zeit miteinander erlebt haben, aber genau das bewegt mich auch dazu, einen engeren Kontakt zu ihnen zu halten. Ich spreche wie immer regelmäßig mit meiner Schwester, ich rufe aber auch, was sonst eher nicht mein Ding ist, meine Mama und auch meinen Papa an, um sicherzugehen, dass es ihnen gut geht und ihnen von meiner Zeit hier zu erzählen.
Außerdem habe ich auch eine Esperanto-Gruppe im Nachbarort Sopot gefunden. Esperanto ist meine große Leidenschaft und ich bin sehr froh, dass es hier eine aktive Gruppe gibt. Wir treffen uns jeden Dienstag zu unterschiedlichen Aktivitäten und ich werde noch immer wie der Spezialgast behandelt, was irgendwie schön ist. Einmal trafen wir uns auch an einem Samstag, um die lokalen Esperanto-Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Es gibt eine Esperanto-Eiche und einen Gedenkstein für die Esperanto-Welt-Kongresse, die hier in der sog. Trójmiasto(„Dreistadt“) stattgefunden haben. Und ich habe schon 2 von 3 Zamenhofstraßen der Dreistadt besucht, die an den Autor der internationalen Sprache erinnern sollen.
Insgesamt geht es mir also gut, ich verstehe mich super mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Büro, und obwohl die Preise in polnischen Supermärkten mittlerweile sehr nah an die deutschen Preise herankommen, reicht es auch irgendwie mit dem Taschengeld. Ich gönne mir sogar manchmal ein Essen im Restaurant! Ich freue mich sehr auf meinen Kurzurlaub zu Hause Anfang Mai und werde mich wieder melden!
Deine Michaela
Michaela verbringt ihren Freiwilligendienst bei Regionalne Centrum Wolontairatu W Gdańsku, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.