Michaela in Danzig, Polen // 3. Bericht

Danzig, den 10.07.2024

Liebe Rieke,

wir sehen uns ja bald zu meinem Geburtstag, aber trotzdem möchte ich dir meine Erlebnisse aus den letzten zwei Monaten schildern. Also hol dir ‘nen Kaffee und lehn dich zurück.

Mitte Mai war ich ja gerade erst aus dem Urlaub zurück. Trotzdem zog es mich direkt anschließend für ein Wochenende nach Poznań. Dort genoss ich die Nacht der Museen mit meinem Kumpel Wojtek. Außerdem schauten wir zusammen die erste Folge der ersten Esperanto-Serie „Esperanto Senlime“, die seither nach und nach auf YouTube veröffentlicht wird und mich jeden Samstag belustigt.

Zurück in Danzig half ich beim internationalen Bienentag, nahm an der Pride-Parade bei bestem Wetter teil und dann begann auch schon ein sehr abwechslungsreicher Monat, denn wir hatten ein Team-ESC-Projekt zu Gast mit 13 Volunteers aus 9 Ländern, darunter auch Saara, mit der ich ja bis März zusammen gearbeitet hatte. Das Ziel dieses Teams war die Unterstützung der Demokratie-Tage, der Internationalen Hanse-Tage und der Senioren-Parade hier in Danzig. Natürlich gab es auch abgesehen davon viele coole Programmpunkte: eine Radtour, ein Kochabend, Bowling, ‘nen Zaun streichen und Grillen und beim Konzert von Dawid Podsiadło (derzeit einer der erfolgreichsten polnischen Sänger) helfen und freien Eintritt bekommen.

Zwischendrin, Ende Mai, weil Fronleichnam hier ein nationaler Feiertag ist, entschied ich mich, die Zeit für eine Wanderung zu nutzen. 55 km mit zwei Übernachtungen in der Hängematte von Mittwochabend bis Freitagmittag. Eigentlich wollte ich vier Tage unterwegs sein, aber einerseits warteten interessante Veranstaltungen auf mich und andererseits war ich nicht ganz fit.

Und deshalb holte ich mir auch Hilfe. Anfang Mai während meines Urlaubs hatte ich wieder Nackenschmerzen bekommen, die die letzten zwei Jahre immer mal wieder auftauchten und wieder verschwanden. Dieses Jahr hatte ich sie zum ersten Mal. Meine Koordinatorin Olena begleitete mich zu meinem ersten Arztbesuch hier in Polen. Zum Glück konnte die Ärztin englisch und mir einen guten Osteopathen/Physiotherapeuten empfehlen. Ich bekam auch zeitnah einen Termin und er nahm sich viel Zeit für mich. Eine außerordentlich positive Erfahrung. Obwohl ich die mir aufgetragenen Übungen regelmäßig machte, blieben leichte Schmerzen und ich vereinbarte einen Folgetermin, bei dem ich etwas globaler behandelt wurde. Ich habe neue Anhaltspunkte und neue Übungen. Glücklicherweise sind mittlerweile alle meine Probleme mit der Krankenkasse geklärt und mir wurden die Behandlungen aus dem Mai auch schon erstattet.

Das bringt mich auf das Thema Geld zu sprechen. Ich war schon immer sparsam, um nicht zu sagen geizig, bzw. macht mich Geld ausgeben nicht glücklich und ich erfreue mich eher nichtmaterialistischer Dinge. Trotzdem muss bzw. möchte ich mein Taschengeld, dass ich in PLN bekomme, ja auch irgendwie bis zum Ende meines Aufenthalts in Polen ausgeben. Mit diesem Problem bin ich in meiner WG wohl auch die einzige. Also habe ich mir überlegt, mich für Kurse einzuschreiben, Kulturveranstaltungen zu besuchen und mir vielleicht mal eine Massage und eine Haarschnitt zu gönnen. Mal sehen, wie erfolgreich ich damit sein werde. Aber erstmal weiter im Programm:

Während der Internationalen Hanse-Tage hatte ich nochmal Besuch von mir sehr wichtigen Menschen, was mich sehr gefreut hat. Außerdem durften wir Volunteers viele Museen kostenlos besuchen, auch das nutzte ich aus. Und natürlich habe ich viele tolle Leute kennengelernt, unter anderem einen Bleiglaskünstler aus Toruń.

Und dann war es auch schon Zeit fürs Mid-Term-Meeting in Toruń. Ich hatte dort eine wunderschöne Woche. Das war wie nach Hause kommen. Ich habe unheimlich viele Souvenirs gekauft, weil ich das 2017 während meines Erasmus-Semesters nicht gemacht habe. Und nach einer interessanten Trainingswoche mit tollen Volunteer-Kolleg*innen, vielen Museumsbesuchen, einem Lebkuchenworkshop und viel Zeit zum Reflektieren und in Erinnerungen schwelgen verbrachte ich noch ein Wochenende bei einer befreundeten Familie , mit der ich tolle Orte entdeckte, eine nächtliche Radtour machte und leckere Sachen aß. Mit viel Lebkuchen, Andenken und einem selbstgemachten Bleiglasvogel im Gepäck (ja, ich habe den Bleiglaskünstler in seiner Werkstatt besucht und durfte eine eigene Idee dort umsetzen) ging es wieder zurück nach Danzig, wo die Team-Volunteers mittlerweile abgereist waren.

Einige Aktivitäten in verschiedenen Garten-Projekten lockten mich ebenfalls aus dem Büro. Wir konnten nochmal zu den ukrainischen Kindern fahren und mit denen einen schönen Vormittag verbringen. Ich lernte auch noch die zwei Leiterinnen eines Gemeinschaftsgartens Plony (dt. Ernte) kennen und nahm später an einem Aktionstag teil. Und ein weiteres Gartenprojekt hatte mir Olena vorgeschlagen, da war ich dann für 2h, länger dauerte es leider nicht.

Es hat sich übrigens ergeben, dass ich einen Esperanto-Kurs in Danzig bei dem Nachbarschaftszentrum Fundacja Nova, wo meine Mitbewohnerin Mélanie arbeitet, anbieten kann. Der erste Termin musste leider von deren Seite abgesagt werden, was sehr schade ist, weil genau an dem Tag ein esperantosprechender Gast aus Japan anwesend war, der sehr gerne mit mir zu dem Kurs gekommen wäre. Naja, also fing ich eine Woche später an und hatte ein Paar Geschenke unseres Gastes zum Verteilen mitgebracht. Es gab mehr Interessenten, als ich mir erhofft hatte und meine Obergrenze von 10 Leuten war schnell erreicht. Und es macht Spaß mit denen! Ich unterrichte übrigens auf einer Mischung von Polnisch und Esperanto, auch sehr spannend 😉

Das gleiche Nachbarschaftszentrum bietet auch diversen kostenlosen Sport draußen im Grünen an. Ich war schon einmal bei einer Yogaähnlichen Stunde und mittlerweile zweimal bei sowas wie Zumba, was mir unheimlich Spaß gemacht hat. Ansonsten soll ich laut Empfehlung des Osteopathen ab jetzt lieber abends Yoga machen, aber das passt mir irgendwie nicht so gut in meinen Tagesrhythmus, weshalb ich es immer seltener mache, was schade ist, weil ich eigentlich so eine gute Routine entwickelt hatte… naja.

Ab jetzt stehen bei mir viele Reisen an (nächstes Mal mehr dazu). Also bleibt nicht mehr viel Zeit, um meine Bucket-List abzuarbeiten, die ich in Toruń geschrieben bzw. ausgedehnt habe. Soviel kann ich schon sagen: ich bin sehr motiviert, meine verbleibende Zeit hier effizient zu nutzen. Picknick mit Volunteers am Strand, nochmal in den Zoo, Waldoper in Sopot (wieder in Begleitung meiner Mentorin Judyta), und eine Fahrradtour in ein nahegelegenes Dorf, das auf dt. den Namen meiner Heimatstadt trägt. Alles innerhalb einer Woche erledigt.

Noch ein paar zusammenhanglose Dinge zum Schluss: Für die Taschentausch-Station der Tafel machten wir mittlerweile auch endlich mal Werbung und starteten eine Sammelaktion. Außerdem wird die Idee des Taschentausches an die Schul-Volunteer-Gruppen gesendet, vielleicht entwickelt sich daraus ja auch noch etwas mehr! Nachdem noch ein Kollege uns verlassen hat, tauschten wir lustig unsere Schreibtische, um Platz für drei neue Mitarbeiterinnen zu machen, die Mitte Juli bei uns anfangen werden. Und zum Zusammenleben zu 5. In unserer Wohnung ist nicht viel zu sagen, es läuft alles super, alle machen Sauber und nehmen aufeinander Rücksicht, Konflikte gibt es keine und oft trifft man sich im Wohnzimmer zum Quatschen. Zu guter Letzt: Ich habe endlich Lech Wałęsa gesehen!

Ich hoffe du wirst auch eine schöne Urlaubszeit haben!

Deine Michaela

Michaela verbringt ihren Freiwilligendienst bei Regionalne Centrum Wolontairatu W Gdańsku, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.