Ich bin Pauline, 24 Jahre alt und studiere in Göttingen Psychologie. Ich habe im März 2023 meinen Bachelor abgeschlossen und für die Zeit bis zum Beginn des Masters nach besonderen Beschäftigungen gesucht. Da ich letztes Jahr schon einen ESC-Freiwilligendienst absolviert hatte, lag es dieses Jahr nah, mich erneut zu bewerben.
Ob ich eine liebste Erinnerung vom Freiwilligendienst habe, ist echt schwierig zu beantworten, da die Erfahrung so intensiv und vollgepackt mit tollen Momenten ist. Eine sehr schöne Erinnerung habe ich von einem der ersten Tage, an dem ich mit zwei Teilnehmerinnen aus Spanien, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe, einen Spaziergang entlang des Pielinen Sees gemacht habe. Wir haben zum ersten Mal die Umgebung erkundet und haben uns besser kennengelernt. Während des Projekts habe ich so viele Dinge gelernt. Eine wichtige Sache, die ich gelernt habe, war dass gut vorbereitete Freiwilligendienste viel entspannter sind als nicht so gut vorbereitete. Dazu unten mehr.
Eine weitere Sache, die ich gelernt habe, ist dass ich von Anfang an auf meine eigenen Bedürfnisse achten darf. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich sozial einzubringen und mit den anderen Zeit zu verbringen. Deshalb war es für mich wichtig, von Anfang an für mich Aktivitäten zu überlegen, die mir guttun und ebenso auch Zeit, in der ich einfach nur entspanne. Eine letzte Sache, die ich gelernt habe, ist dass es sich lohnt, noch einmal nachzufragen. In solchen internationalen Gruppenkontexten kommen ständig Situationen, in denen man das Verhalten einer Person nicht versteht und davon vielleicht vor den Kopf gestoßen ist oder man einfach interessiert ist, aber unsicher, ob man fragen sollte. Dadurch, dass diese Gruppen so heterogen sind, was z.B. nationale Herkunft, soziale Herkunft, Lebensabschnitt etc. betrifft, aber was andere Dinge wie Offenheit, Wissensdurst und Mitteilungsbereitschaft betrifft, meiner Erfahrung nach so homogen sind, lohnt es sich, diese Fragen zu stellen. Ich habe dadurch so viel über die Individuen, ihre Kultur, ihre Sprache, ihr Herkunftsland etc. gelernt. Das war total bereichernd.
Die Aufgaben während diesem Dienst waren vielfältig, aber haben total in meinen Interessensbereich gepasst. Wir haben viel mit Naturmaterialien gearbeitet (mit Fichtenzapfen gebastelt, Kekse mit Baumrinde gebacken) oder zum Thema Recycling (Arbeit im Second Hand Shop). Außerdem haben wir immer wieder mit Menschen aus der Region, die sehr ländlich war, interagiert, zum Beispiel in Schulen, Museen oder Altersheimen. Das sind alles Dinge, die mir total Spaß machen.
Ich habe gerade länger überlegt und noch mal die Wochenpläne angeschaut, aber konnte mich an keine der Aktivitäten erinnern, die mir keinen Spaß gemacht haben. Klar war das Wegschaufeln von 40cm Schnee Anfang Mai irgendwie deprimierend und anstrengend, aber als Gruppe hatten wir auch Spaß.
Die Erfahrung dieses Freiwilligendienstes beeinflusst meine Zukunft und meine Persönlichkeit auf jeden Fall. Nicht in einem riesigen Ausmaß, aber die Erfahrungen, die ich gemacht habe, haben mir einfach eine ganz besondere Perspektive ermöglicht. Zum Beispiel sind in jedem Freiwilligendienst die Gruppendynamiken unterschiedlich und man kann sich als Person ausprobieren, was echt interessant und lehrreich ist. Dadurch, dass ich diese Erfahrung gemacht habe, habe ich nun das wertvolle Wissen über mich, wie ich in solchen Umständen schon mal gelebt habe und wie es mir dabei ging. In Zukunft kann ich also Entscheidungen darüber treffen, ob und wenn ja in welchem Umfang ich solche Erfahrungen wieder machen möchte.
Durch diesen Freiwilligendienst habe ich auch gemerkt, dass ich Kompetenzen habe, von denen ich vorher nicht angenommen hatte, dass es Kompetenzen sind. Für die Zukunft nehme ich mit, dass ich stärker hinterfragen sollte, was ich als gegeben und selbstverständlich annehme. Das ist im beruflichen Kontext sicher wichtig. Ich denke, dass solche Freiwilligendienste die Persönlichkeit insofern beeinflussen können, als dass man nach diesen intensiven Wochen so viele Erfahrungen aus unterschiedlichsten Bereichen gesammelt hat, die auch alle nicht nur positiv waren, aber die man alle irgendwie bewältigt hat. Das kann das Selbstbild positiv beeinflussen.
Ich würde es anderen jungen Menschen empfehlen, einen Freiwilligendienst vom ESC zu machen. Unter bestimmten Voraussetzungen. Der Freiwilligendienst im Hyvärilä Youth Center war bestens vorbereitet von Menschen, die Jugendarbeit beruflich machen und viel Erfahrung haben. Die Unterkunft war super (2er oder 3er Zimmer). Wir mussten nicht jeden Tag für die Gruppe kochen, sondern insgesamt nur 4 Mal. Es stand von vornherein fest, was der Wochenplan ist. Wir hatten zwei Tage lang on-arrival-training, die die folgenden zwei Wochen ganz stark positiv beeinflusst haben und ohne wäre es ein ganz anderer Dienst gewesen. Die Arbeit, die wir geleistet haben, hat sich oft nicht wie Arbeit angefühlt, sondern in der Rückschau nehme ich diesen Freiwilligendienst als Lernerfahrung für uns junge Erwachsene wahr, denn alles was als Arbeit deklariert war, war irgendwie lehrreich für uns. Das alles waren für mich perfekte äußere Umstände und zusätzlich war die Gruppe total toll.
Das war anders in meinem ersten Freiwilligendienst, der viel chaotischer war. Die Unterkunft war zu klein (teilw. 8er Zimmer), es war nicht klar, was wir wann tun, wir haben kein gutes on-arrival-training gehabt, sodass wir keinen besonders rücksichtsvollen Umgang miteinander hatten, wir mussten jeden Tag füreinander Kochen, was ein sehr großer Stressfaktor war, die Organisation vor Ort wurde von zwei Langzeitfreiwilligen durchgeführt, die ihr bestes gegeben haben, aber die keine Ausbildung im Bereich Jugendarbeit hatten und deshalb liefen einige Dinge schlecht. Nach diesem ersten Freiwilligendienst war ich nicht sicher, ob ich das noch mal möchte. Dadurch, dass wir so verschieden sind und mit bestimmten Umständen unterschiedlich umgehen, ist das eine ganz individuelle Sache.
Ich möchte als Empfehlung deshalb unbedingt aussprechen, dass sich alle, die sich für Freiwilligendienste bewerben möchten, vorher darüber im Klaren sein sollten, was für sie verhandelbare Lebensumstände sind und was für sie unverhandelbar ist. Wenn aus der Projektbeschreibung nicht ersichtlich ist, wie zum Beispiel die Unterbringung ist, wie das on-arrival-training gestaltet ist, wie die Essensversorgung ist, wie groß das Team ist, wie die Freizeit gestaltet werden kann oder was für jemanden noch wichtig sein könnte, dann lohnt es sich immer, vorher Kontakt zur Organisation aufzunehmen und diese Fragen zu stellen.
Ich kann einen Freiwilligendienst im Hyvärilä Youth Center uneingeschränkt empfehlen, weil sich die Organisatorinnen unseres Freiwilligendienstes über alles im Vorhinein Gedanken gemacht haben, was für so eine krass intensive Zeit wichtig und notwendig ist. Sie waren sich der Herausforderung, die so ein Freiwilligendienst für alle Teilnehmenden bedeutet sehr bewusst und haben unseren Aufenthalt bestens vorbereitet. Das hat es für mich zu einer total wertvollen Erfahrung gemacht, die ich sonst nirgendwo anders hätte machen können.
Pauline
İhsan und Pauline verbrachten ihren Kurzzeit-Freiwilligendienst in der Organisation Hyvärilä, ihr Projekt wurde kofinanziert von der Europäischen Union.