„Welcome to the best country in the world, girls!” – Mit diesen Worten wurden Maike und ich, verwirrt und überfordert wie wir waren, vor ziemlich genau zwei Monaten am Flughafen Skopje von Goran, einem Mitarbeiter von VCS, in Empfang genommen. So sehr mich diese sonderbare Begrüßung an diesem ersten Tag in Nordmazedonien verwunderte, so sicher bin ich heute, dass ich am zumindest für mich besten Ort gelandet bin!
Die Zeit, die seit diesem ersten Tag des Kennenlernens und kennengelernt Werdens vergangen ist, ist auf paradoxe Weise zugleich sehr schnell und sehr langsam verlaufen. Es fühlt sich an, als hätte ich erst gestern zum ersten Mal einen flüchtigen Blick auf Skopje durch das Fenster von Nikolas Auto, etwas beengt aber sehr erleichtert zwischen einem Kindersitz und viel Smalltalk erhaschen können. Gleichzeitig ist es, als läge dieser Augenblick eine Ewigkeit zurück und als wäre ich noch nie an einem anderen Ort mit anderen Menschen gewesen. Sicherlich liegt dies auch daran, dass sich nach diesen zwei unglaublich ereignisreichen Monaten ein komischer Zeitpunkt zwischen ankommen und angekommen sein eingestellt hat.
Viele erste Male sind jetzt zur Routine und Gewohnheit geworden, nichts desto trotz ist hier noch sehr viel zu entdecken, zu erkunden und zu lernen. Den Weg zum Stadtzentrum, für den ich mich in meiner ersten Woche noch auf Google Maps verlassen habe, könnte ich heute im Schlaf finden. In die weiter entfernten Stadtviertel habe ich mich aber noch nicht vorgewagt. Mittlerweile ist es nicht mehr weiter erstaunlich, wenn wie aus dem nichts eine Katze auf dem Weg auftaucht. Dennoch ist es nicht leichter geworden, den Impuls zu unterdrücken, sie mit nach Hause zu nehmen. Die Offenheit und das Interesse der Menschen und die vielen resultierenden Fragen sind zur unumstößlichen Voraussetzung eines jeden Gesprächs geworden. Dennoch ist es immer wieder erstaunlich, wie sehr die Frage dominiert, warum wir Freiwilligen uns ausgerechnet Skopje für unseren Freiwilligendienst ausgesucht haben.
Manchmal ertappe ich mich aber tatsächlich auch bei dem Gedanken, was es für ein glücklicher Zufall ist, dass wir uns alle für eine ESK-Erfahrung zum selben Zeitpunkt am selben Ort entschieden haben. Die allsonntäglichen Besuche in Skopjes sehr urigen Cafés, die sich wie von selbst zur Tradition entwickelt haben, kann ich mir genau so wenig wegdenken, wie die gemeinsamen Koch- und Backabende, bei denen zwar nie alles ganz nach Plan läuft, aber trotzdem immer sehr leckere Pierogi, Gratins und Weihnachtsplätzchen herausgekommen sind. Bevor ich hier her nach Skopje gekommen bin, um in einer rund zehnköpfigen Gruppe von Freiwilligen aus aktuell Frankreich, Polen und Deutschland zu wohnen und zu arbeiten, hätte ich auch nicht erwartet, dass Brot und Kartoffeln für immer ausreichend Gesprächsstoff und scheinbar endlose, freundschaftliche Diskussionen sorgen, wer sich Kartoffel- beziehungsweise Brot-Land nennen darf. Das andauernde Kommen und Gehen, das mit der Natur der teilweise langfristeigen und kurzfristigen Freiwilligendienste einhergeht, hat bereits für einige traurige Abschiede gesorgt, dafür ist aber jedes Willkommen umso fröhlicher und herzlicher.
In Sachen Vielseitigkeit steht die Arbeit der Freizeitgestaltung in keiner Weise nach. Während wir im Büro unter der Woche fleißig das monatliche erscheinende Magazin VOICES schreiben und designen, uns um die Social-Media-Kanäle von VCS kümmern, den nächsten Podcast aufnehmen oder die anstehenden Events und Workshops planen, begeben wir Freiwilligen uns am Wochenende auf kleinere und größere Abenteuer in Skopje und Umgebung. So war ich hier mit einigen der anderen Freiwilligen auf meiner ersten richtigen Wanderung auf dem von unserem Stadtviertel aus fußläufig zu erreichenden Berg Vodno, auf einem Tagesausflug nach Pristina im Kosovo und auf einer Tour zum wunderschönen Canyon Matka.
Neben all den touristischen Erfahrungen, die ich bisher in Skopje gesammelt habe, sind da natürlich auch die alltäglichen Erfahrungen, die das Leben hier mit sich bringen. Mittlerweile sind der sehr
rasante Verkehr und die Flexibilität der Anzahl an Menschen, die in Autos und Busse passen ebenso wenig eine große Überraschung wie die vielen Raucherbereiche und die Hektik des großen Obst- und Gemüsebasars am Samstag. Was bleibt, ist die immer noch vorhandene Sprachbarriere. Auch wenn ich nach zwei Monaten eine halbwegs passable Selbstvorstellung auf Mazedonisch vortragen kann, reichen meine Sprachkenntnisse leider noch lange nicht für ein darüberhinausgehendes Gespräch. Zwar sprechen hier viele Menschen, vor allem die jüngeren Generationen, einwandfreies Englisch, doch viele Menschen älterer Generationen, wie beispielsweise die Verkäuferin in meinem Lieblingswollladen, tun dies nicht. Das Verständnis und die Freundlichkeit der Menschen, wenn sie merken, dass man sie nicht versteht, sind jedoch ein guter Anreiz und eine zusätzliche Motivation weiter am Mazedonischlernen dran zu bleiben.
Die vergangenen zwei Monate waren eine sehr bereichernde Zeit, für die ich einerseits unglaublich dankbar bin und die mich andererseits sehr neugierig darauf macht, was die nächsten achteinhalb Monate mit sich bringen. Wenn ich mich noch am ersten Abend hier auch trotz eingehender Betrachtung meiner Liste mit Gründen, warum ich mich für diesen Freiwilligendienst entschieden habe, nicht mehr darauf entsinnen konnte, wie ich diesen Schritt je für den richtigen gehalten haben konnte, kann ich mir heute kaum vorstellen, woanders zu sein.
Sophia verbringt ihren Freiwilligendienst im Volunteer Centre Skopje, ihr Projekt wird ko-finanziert von der Europäischen Union.